Ende dieser Woche sollen auf einem Gipfel nachhaltige Entwicklungsziele beschlossen werden. Nun hat Ex-Bundespräsident Horst Köhler im Vorfeld die Arbeit des UN-Sicherheitsrates scharf kritisiert.
In einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT wirft er dem Gremium vor, bei den globalen Fragen eine „ambivalente Rolle“ zu spielen. „Die fünf ständigen Mitglieder lassen sich zu stark von ihren Einzelinteressen und machtpolitischen Erwägungen leiten. Die UN werden viel zu sehr instrumentalisiert!“
Auch der Sicherheitsrat müsse sich künftig an den Nachhaltigkeitszielen messen lassen, sagt der ehemalige Bundespräsident. „Er muss dringend auch ökologische und soziale Ursachen von Konflikten und Kriegen in seine Betrachtungen einbeziehen.“
Von einem eigenen UN-Nachhaltigkeitsrat hält Köhler nichts. „Aus meiner Sicht wäre es besser, das entwicklungspolitische und sicherheitspolitische Denken im Sicherheitsrat zu verschränken. Damit würde es dort schwerer werden, vor allem machtpolitische Interessen zu verfolgen.“
Im gleichen Interview unterstützt Horst Köhler die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel. „Natürlich schaffen wir das!“, sagt Köhler. „Selbst wenn Angela Merkel ihre Entscheidung vor ein paar Wochen spontan gefällt haben sollte – ich find’s richtig.“ Sie habe ausgedrückt, „dass Humanität nicht nur in Sonntagsreden auftauchen darf und dass christliche Nächstenliebe kein Schwallwort ist. Aber wir müssen die Flüchtlingskrise jetzt wirklich als Weckruf betrachten.“
Man könne sich „nicht mehr abschotten“, fügt der Bundespräsident a.D. hinzu. In Afrika werde sich die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 auf über zwei Milliarden Menschen verdoppeln: „Wir wissen aus der Konfliktforschung, dass politische Instabilität, ja Kriege, Umstürze und Chaos nicht zuletzt aus der Perspektivlosigkeit der Jugend resultieren. Wie stellen wir uns auf diese gigantische Herausforderung eigentlich politisch ein?“
Tauchten die Flüchtlinge erst einmal an den Grenzen auf, sei eine Unterscheidung zwischen politischen Flüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen nicht mehr hilfreich, sagt Köhler. „Die extreme Armut ist oft selbst Ursache neuer Kriege. Deshalb sollten wir die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge vor allem als Hinweis auf strukturelle Probleme verstehen.“
Einwanderungsgesetz für Deutschland
Der ehemalige Bundespräsident und frühere Chef des Internationalen Währungsfonds plädiert dafür, „das globale Handelssystem fairer“ und „die internationale Steuerpolitik gerechter“ zu machen und mehr dazu beizutragen, „dass Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Afrika entstehen. Dazu gehört, den illegalen Kapitalabfluss aus diesen Ländern auch bei uns zu bekämpfen.“
Darüber hinaus fordert Köhler ein Einwanderungsgesetz für Deutschland. Dieses brauche man „längst“, sagt Köhler in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Dabei dürfe es „nicht nach Hautfarbe“ gehen: „Ich finde es aber legitim, Kriterien anzulegen“, sagt Köhler. „Die Einwanderer sollten eine Qualifikation mitbringen und die Bereitschaft, sich zu integrieren.“ Köhler warnt aber davor, „nicht einen gewaltigen Brain-Drain in die Industrieländer“ zu  organisieren, mit der Folge, dass die am besten ausgebildeten Menschen dann in ihrer Heimat fehlten.
Das Thema Einwanderung werde in Deutschland „immer viel zu einseitig diskutiert“, kritisiert Köhler. „Das Geld, das Migranten nach Hause überweisen, ist ein wichtiger Beitrag zur Finanzierung der Entwicklung afrikanischer Länder. Und ihr bei uns erworbenes Wissen kann beim Vorankommen ihrer Heimatländer helfen.“