Von Helen Massy-Beresford

Die Europäische Union hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt: Bis 2050 will sie klimaneutral werden. Ein zentraler Schlüssel auf diesem Weg ist der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien. Doch wie gelingt es, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen? Ein EU-finanziertes Forschungsprojekt namens DIALOGUES hat innovative Ansätze erprobt – darunter Gespräche mit Müttern auf Berliner Spielplätzen.

Spielplätze als Brückenbauer

Berlin hat sich bei DIALOGUES als Experimentierfeld für einen ungewöhnlichen Ansatz hervorgetan: Frauen – häufig Mütter auf Spielplätzen – wurden gezielt angesprochen, um sie in Diskussionen über Energiegenossenschaften einzubinden. Diese Genossenschaften ermöglichen es Bürgern, gemeinsam Unternehmen zu gründen, die sich auf erneuerbare Energien oder Energieeinsparungen spezialisieren.

„Wir wollten Gruppen erreichen, die sonst weniger aktiv in die Energiepolitik eingebunden sind“, erklärt Dr. Andrea Kollmann vom Energieinstitut der Johannes Kepler Universität Linz, die das Projekt koordinierte. Zwischen 2022 und 2024 fanden in Berlin vier Fokusgruppen statt, an denen insgesamt 41 Frauen teilnahmen. Für Mütter mit kleinen Kindern wurde sogar eine Kinderbetreuung organisiert, um ihnen die Teilnahme zu erleichtern.

Viele der Frauen – darunter Mitglieder der türkischen Migrantengemeinschaft – hatten vorher noch nie von Energiegenossenschaften gehört, zeigten jedoch großes Interesse. „Man braucht nicht unbedingt eine Solaranlage oder ein Elektroauto, um aktiv mitzumachen“, betont Dr. Kollmann.

Alle an Bord

Die Idee dahinter ist, in einem „Bottom-up-Ansatz“ sogenannte Energiegemeinschaften zu fördern, die es den Einwohnern in ganz Europa ermöglichen, Einfluss auf Infrastrukturveränderungen zu nehmen. Denn solche sind notwendig, wenn die EU ihr Klimaneutralitätsziel für 2050 erreichen will.

„Was können wir lernen, damit Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen in die Energiewende involviert werden?“, fragte sich Dr. Andrea Kollmann, leitende Forschungskoordinatorin am Energieinstitut der Johannes Kepler Universität Linz in Österreich.

Sie leitete ein von der EU finanziertes Projekt, das Antworten genau auf diese Frage finden wollte. Das Projekt unter dem Titel DIALOGUES, an dem Universitäten, Forschungsinstitute und Klimaorganisationen aus Ländern wie Österreich, Deutschland, der Schweiz und der Türkei beteiligt waren, wurde im April 2024 nach insgesamt drei Jahren abgeschlossen.

Dabei hatte das Team von DIALOGUES sogenannte „Citizen Action Labs“ organisiert, um ein Bewusstsein und Verständnis für die Veränderungen in der Energielandschaft zu fördern. Und genau hier kamen die Berliner Spielplätze ins Spiel.

Aus früheren Untersuchungen wusste man, dass sich Menschen mit höherem Einkommen und einem Bildungshintergrund im technischen Bereich intensiver mit praktischen Fragen der lokalen Energieversorgung und des Energieverbrauchs befassen. Dies trifft häufiger auf Männer zu als auf Frauen.

Aus diesem Grund wandten sich die Projektpartner in Berlin an Personen, die zwar weniger in das Thema involviert sind, aber nichtsdestotrotz ein großes Interesse daran haben.

„In diesem Fall waren es Frauen“, so Dr. Kollmann.

Mütter als First Mover

Sie erklärt, dass das Team die Mütter auf den Spielplätzen angesprochen und darum gebeten habe, an zwei- bis dreistündigen Diskussionen über sogenannte „Energiegenossenschaften“ teilzunehmen. Dabei handelt es sich um ein Geschäftsmodell, bei dem Anwohner gemeinsam ein Unternehmen besitzen und kontrollieren, das erneuerbare Energie oder Energieeinsparungen fördert.

Diese Diskussionen fanden in Berlin im Rahmen von vier Fokusgruppen zwischen 2022 und 2024 statt und zogen insgesamt 41 Teilnehmer an. Bei einigen Sitzungen wurde vom Team eine Kinderbetreuung angeboten, sodass auch Mütter zu Wort kamen, die sonst vielleicht nicht hätten teilnehmen können.

Viele der Frauen gehörten zu der großen Gemeinschaft türkischer Migranten, die in Berlin leben. Die meisten hatten noch nie etwas von einer Energiegenossenschaft gehört und zeigten sich interessiert, so Dr. Kollmann.

„Man braucht nicht unbedingt ein Elektroauto oder eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach, um sich als Bürger aktiv in das Thema Energie einzubringen“, sagte sie.

Schlussfolgerungen

Weitere Arbeiten am Projekt erfolgten in Genf, Schweiz, und in der bulgarischen Stadt Belene.

In Genf sind die Bemühungen der Behörden und Unternehmen vor Ort um umweltfreundliche Energieerzeugung bzw. Energieverbrauch relativ weit fortgeschritten. Daher konzentrierte sich ein Action Lab dort auf die Rolle der Haushalte und wollte eine aktive Beteiligung der Einwohner fördern.

In Belene hingegen, wo die Beteiligung der Öffentlichkeit an Energiefragen eine eher neue Idee ist, wollte das Lab mit den Menschen über Wahlmöglichkeiten ins Gespräch kommen und sie allgemein für dieses Thema sensibilisieren.

Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus DIALOGUES war die Notwendigkeit, Wege zu schaffen oder zu stärken, mit denen sich alle Menschen aktiv an der Entscheidungsfindung in der Energie- und Umweltpolitik beteiligen.

Zweitens sind Subventionen, steuerliche Anreize und andere finanzielle Unterstützungen wichtig, damit in erneuerbare Energien investiert wird. Und die dritte Schlussfolgerung ist, dass häufig öffentliche Unterstützung notwendig ist, damit die Menschen Fähigkeiten entwickeln, um an der Energiewende teilzunehmen.

Lokale Stromversorgung

Gemeinschaften für erneuerbare Energien sind Teil der neuen europäischen Gesetzgebung, mit der der Marktanteil erneuerbarer Energien von 23 % im Jahr 2022 auf mindestens 42,5 % im Jahr 2030 erhöht werden soll.

Der Gedanke dahinter ist, dass lokale Akteure im Zuge der zunehmenden Umstellung auf saubere Energie in Europa eine immer wichtigere Rolle übernehmen können und werden. Angefangen mit der Änderung der Verbrauchsgewohnheiten und der Gestaltung von Speichersystemen bis hin zur Vorhersage des Arbeitskräftebedarfs und der Beschleunigung nationaler Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien.

Rund drei Viertel der europäischen Treibhausgasemissionen entfallen auf den Energiesektor. Darin zeigt sich, wie wichtig es ist, das Angebot an erneuerbaren Energiequellen auszubauen.

Wie Dr. Kollmann in Österreich hat sich auch Dr. Annika Wolff in Finnland dafür eingesetzt, praktische Hindernisse für lokale Initiativen im Bereich umweltfreundlicher Energie in der EU zu beseitigen.

Dr. Wolff ist außerordentliche Professorin für nutzerzentrierte Softwareentwicklung an der Lappeenranta-Lahti University of Technology (LUT) und leitete ein von der EU finanziertes Projekt, das sich mit der Erweiterung der Energieoptionen für den Menschen befasste.

Dieses Projekt mit dem Titel GRETA hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und endete im Oktober 2023.

„Ausgangspunkt war die Frage, wie die Menschen in die Lage versetzt werden können, ihre Energieentscheidungen selbst zu treffen“, erklärte Dr. Wolff.

Hindernisparcours

Das Projektteam führte eine europaweite Umfrage unter insgesamt 10.000 Personen, Kleinunternehmen und politischen Entscheidungsträgern in 16 EU-Ländern durch, von Belgien und der Tschechischen Republik bis hin zu Frankreich und Polen.

Im Rahmen der Umfrage wurden die Teilnehmer unter anderem danach gruppiert, wie sie Energie verbrauchen, wie sie die Stromerzeugung einschätzen und wie sie sich über verwandte Themen informieren.

Dabei wurden die Teilnehmer in sechs Kategorien unterteilt. Angefangen von den engagiertesten und technisch versiertesten Personen bis hin zu denjenigen, die dem Thema eher gleichgültig gegenüber stehen. Zu den mittleren Kategorien gehörten „junge aufmerksame Menschen“ und „Personen mit eingeschränkten Ressourcen“.

Aus den Ergebnissen ging hervor, dass sich 58 % der Teilnehmer bereits aktiv an der Energiewende beteiligen.

Allerdings ergab die Umfrage auch, dass sich ein erheblicher Teil der Menschen ohne weitere Unterstützung wahrscheinlich nicht stärker engagieren würde.

Die größten Hindernisse für ein breiteres Engagement waren nach Angaben der Umfrage finanzielle Zwänge, mangelndes Wissen und die Einstellung, dass eine einzelne Person nichts bewirken könne. Und viele Menschen erwarten noch immer, dass die Regierung die Federführung zu übernehmen habe.

Das Projekt hat gezeigt, dass selbst engagierte und erfahrene Fachleute auf dem Gebiet der Energiewende auf Hindernisse stoßen können, erklärte Dr. Lurian Klein, leitender Innovationsentwickler bei dem in Portugal ansässigen Klima-Tech-Unternehmen Cleanwatts Digital.

Zum GRETA-Projekt gehörten sechs Fallstudien in Finnland, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal und Spanien.

Dr. Klein war für die Fallstudie von GRETA in Portugal verantwortlich. Dabei ging es um eine landesweite Energiegenossenschaft namens Coopèrnico, die 2013 gegründet wurde und über die Tausende von Menschen, kleine und mittelständische Unternehmen und Gemeinden mit Solarstrom versorgt wurden.

Verträge für den Wandel

Eine der Herausforderungen von Coopèrnico bestand darin, der Genossenschaft gegenüber anderen, mächtigeren Akteuren auf dem Energiemarkt, die den Status quo bevorzugen, Gehör zu verschaffen.

Mit einem regelmäßigen Dialog zwischen den Akteuren des Energiesektors – einschließlich der politischen Entscheidungsträger – über den Beitrag der Menschen zur Energiewende könnte man dieses Hindernis laut Dr. Klein überwinden.

Im Rahmen des Projekts wurden politische Empfehlungen für eine auf den Menschen ausgerichtete Energiewende erarbeitet. Eine Empfehlung bezieht sich auf „Energiebürgerverträge“.

Dabei handelt es sich um freiwillige Verpflichtungen zur Koordinierung von Nachhaltigkeitspraktiken und -zielen zwischen den Energiegemeinschaften und politischen Entscheidungsträgern. Die Verträge können unter anderem dazu beitragen, die zur Erreichung der gemeinsamen Ziele erforderlichen Ressourcen zu ermitteln.

Für Dr. Klein gehört zur Förderung lokaler Initiativen durch die EU, die den Energiewandel in Europa vorantreiben sollen, zunehmend alles, angefangen von kleinen Gesten bis hin zu spektakulären Maßnahmen.

„Die Rolle der Bürger bei diesem Wandel kann individuelle oder kollektive Initiativen oder aber auch gesellschaftliche bzw. politische umfassen“, erklärte er.

Recherchen zu diesem Artikel wurden vom Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider.

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