Mit einer historischen Entscheidung hat der Deutsche Bundestag ein neues Sondervermögen auf den Weg gebracht, das Klimaschutz, Sicherheitspolitik und wirtschaftliche Transformation miteinander verknüpft. Wenige Tage vor Ende der laufenden Wahlperiode stimmten 512 Abgeordnete – deutlich mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit – für eine Grundgesetzänderung, die die strikte Schuldenbremse lockert​.

Erstmals dürfen damit über mehrere Jahre bis zu 500 Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen werden, um einerseits die Landesverteidigung und Sicherheitsvorsorge zu stärken und andererseits massiv in Infrastruktur und Klimaneutralität zu investieren​. Bundesfinanzminister und Beobachter sprechen von einer „Epochenwende“ – einem Kurswechsel, der Klimapolitik zur Staatsräson erhebt und gleichzeitig auf die gewandelte sicherheitspolitische Lage reagiert.

Klimapolitik trifft Sicherheitspolitik – ein neues Paradigma

Es ist ein Finanzpaket der Superlative und ein politisches Signal: Klimaschutz wird in Deutschland künftig als Teil der Sicherheitsvorsorge verstanden. Schon in der Bundestagsdebatte betonte SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil, man dürfe nicht nur in militärische Sicherheit investieren, sondern müsse zugleich die „Infrastruktur unseres Landes“ stärken – beides gehöre untrennbar zusammen​. Ähnlich argumentierte Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der eine „umfassende Reformagenda“ verlangte: Die wirtschaftliche Basis Deutschlands müsse erneuert werden, um die gestiegenen Verteidigungsaufgaben überhaupt stemmen zu können​. Mit anderen Worten: Ohne nachhaltige, zukunftsfähige Wirtschaft – und damit ohne Klimatransformation – lässt sich auch die Sicherheitspolitik nicht finanzieren.

Dieses neue Paradigma spiegelt sich in der Grundgesetzänderung wider. Künftig werden Ausgaben für Verteidigung und bestimmte sicherheitspolitische Bereiche bis zu 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) regulär von der Schuldenbremse erfasst – alles darüber hinaus darf der Bund schuldenfinanziert ausgeben​. Zugleich aber wurde – auf Drängen der Grünen – die Schuldenbremse auch für nicht-militärische Sicherheit und Klimaschutz gelockert​. Ausgaben etwa für Cybersicherheit, Zivilschutz, den Schutz der Bevölkerung und Nachrichtendienste sowie für die Unterstützung völkerrechtswidrig angegriffener Staaten (wie derzeit der Ukraine) sind nun ebenfalls von der Kreditobergrenze ausgenommen​. Diese breitere Definition von Sicherheit trägt der Realität Rechnung, „dass Sicherheit breiter gefasst wird als nur Stahl und Munition“, wie Vizekanzler Robert Habeck es formulierte​. Klimaveränderungen, Energieabhängigkeiten und Verwundbarkeiten der Gesellschaft gelten zunehmend als Sicherheitsrisiken – der Staat reagiert darauf mit einem Finanzpaket, das Panzer und erneuerbare Energien gleichermaßen umfasst.

Außenministerin Annalena Baerbock hatte bereits vor Wochen auf der Münchner Sicherheitskonferenz verdeutlicht, wie eng Friedenssicherung und finanzielle Handlungsfähigkeit verknüpft sind. „Wir müssen die Schuldenbremse flexibilisieren, damit wir unseren Frieden in Europa retten“, sagte Baerbock in einem ARD-Interview und warnte davor, angesichts geopolitischer Bedrohungen an althergebrachten Finanzdogmen festzuhalten​. Diese Haltung – Sicherheitspolitik notfalls über neue Kredite zu stärken – bildet nun einen Schulterschluss mit der Klimapolitik: Deutschland investiert auf Pump in Rüstung und Resilienz, aber eben auch in die Abwehr der Klimakrise. Erstmals wird Klimaneutralität 2045 explizit als nationales Investitionsziel im Grundgesetz verankert, denn das Sondervermögen ist laut Beschlusstext „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ bestimmt​. Klimaschutz wird damit zur gleichrangigen Aufgabe neben der Landesverteidigung – ein Novum in der deutschen Innenpolitik.

Die Rolle der Grünen: Zähe Verhandler für den Klimaschutz

Leicht haben es sich die Grünen nicht gemacht. Obwohl die Partei in der abgewählten Ampel-Regierung mitregierte, war ihre Zustimmung zu diesem Deal alles andere als selbstverständlich. Tatsächlich war es die grüne Fraktion, die im politischen Aushandlungsprozess den Klimaschutz auf Augenhöhe mit der Rüstung brachte. „Es sei merkwürdig, dass es an den Grünen sei, für die Berücksichtigung des Klimaschutzes zu kämpfen“, monierte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge zu Beginn der Verhandlungen – und machte klar, dass ihre Partei nur zustimmen würde, wenn das Milliardenpaket keinen Blankoscheck für andere Zwecke darstelle. Die Sorge der Grünen: SPD und CDU/CSU könnten die 500 Milliarden Euro Sondervermögen nutzen, um etwa bestehende Ausgaben aus dem Kernhaushalt einfach auszulagern und finanziellen Spielraum für Wahlversprechen wie neue Sozialleistungen oder Steuererleichterungen zu gewinnen. Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor einem solchen „Verschiebebahnhof“ und pochte darauf, dass nur zusätzliche, bisher nicht geplante Investitionen aus dem Sondervermögen bezahlt werden dürften. Gleichzeitig müsse ein substantieller Anteil des Geldes explizit in Klimaschutzmaßnahmen fließen​. Die Grünen stellten sich „verantwortungsbereit“ hinter die Idee einer gemeinsamen Kraftanstrengung, aber knüpften klare Bedingungen daran.

Mit Erfolg: Nach zähen nächtlichen Verhandlungen verkündete Friedrich Merz einen konkreten Klimabeitrag von 100 Milliarden Euro – doppelt so viel wie zunächst angeboten – der aus dem Sondervermögen zweckgebunden in den bestehenden Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen soll​. Weitere 100 Milliarden Euro sind für die Bundesländer reserviert, insbesondere um auf kommunaler Ebene die anstehende Wärme- und Energieplanung zu finanzieren​.

Das bedeutet: Städte und Gemeinden erhalten Mittel, um etwa die Umstellung von Gas- und Ölheizungen auf klimafreundliche Alternativen oder den Ausbau lokaler Stromnetze zu planen und umzusetzen – ein zentraler Baustein der Wärmewende. Die restlichen 300 Milliarden des Pakets stehen für nationale Infrastrukturprojekte bereit, etwa schnellere Bahnstrecken, bessere digitale Netze oder auch klimafeste Straßen und Brücken. Doch entscheidend aus grüner Sicht ist: Mindestens 20 Prozent des Gesamtpakets sind fest für Klimaschutz und den grünen Umbau der Wirtschaft reserviert​. Zudem wurde im Gesetz festgeschrieben, dass es sich um zusätzliche Investitionen handeln muss​– eine wichtige Sicherungsklausel gegen Zweckentfremdung.

Im Ergebnis konnten die Grünen ihrem Parteitag und Wählern vermitteln, dass sie dem Paket ihren Stempel aufgedrückt haben. „Alles in allem sieht man: Grün macht den Unterschied, Grün wirkt“, erklärte Habeck zufrieden auf der Plattform X (Twitter)​. Tatsächlich wäre ohne die grüne Verhandlungsposition weder der Klimaschutzanteil noch die strenge Zusätzlichkeitsregel in dieser Form Teil der Einigung. Die ungewohnte Konstellation – eine abgewählte Ampel-Partei paktiert mit der konservativen Opposition und Teilen der SPD – machte die Grünen kurzfristig zum Königsmacher. Für ihre Zustimmung holten sie maximale inhaltliche Zusagen heraus. „Der Klimaschutz könne nicht mehr zur Nebensache degradiert werden“, unterstrich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nach dem Kompromiss​. Dass nun sogar der CDU-Vorsitzende Merz als designierter Kanzler in spe mit dem größten Investitionsprogramm für Klimaneutralität seit Bestehen der Bundesrepublik wirbt, werten die Grünen als ihren politischen Verdienst.

Transformation der Industrie und Energie: Was das Klimapaket enthält

Inhaltlich bedeutet das Sondervermögen einen Anschub für die klimagerechte Transformation in fast allen Sektoren. Der Klima- und Transformationsfonds (KTF), aus dem bereits bisher Projekte zur Emissionsminderung bezahlt wurden, erhält nun schlagartig 100 Milliarden Euro zusätzlich. Zum Vergleich: Im regulären Wirtschaftsplan 2025 waren für den KTF lediglich rund 25 Milliarden Euro an Ausgaben vorgesehen​, finanziert vor allem aus CO₂-Preis-Einnahmen und Emissionszertifikats-Versteigerungen. Die zusätzliche Summe ist somit ein Vielfaches – verteilt über zwölf Jahre entspricht sie etwa 8,3 Milliarden Euro pro Jahr extra für Klimaschutzmaßnahmen​.

Wofür soll dieses Geld verwendet werden? Offiziell ist der Verwendungszweck breit gefasst für „Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“​. Experten betonen, dass es nun vor allem auf kluge Prioritäten ankommt​. Im Gespräch sind zahlreiche Maßnahmen: Die Gebäude- und Wärmewende gilt als besonders dringlich. Ein großer Teil der Emissionen entsteht in schlecht gedämmten Häusern und alten Heizungen. „Gerade der Heizungstausch ist wirklich zentral“, sagt der Klimaforscher Gunnar Luderer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung​. Fossile Kessel, die heute noch eingebaut würden, verursachten über zwei Jahrzehnte CO₂ – entsprechend müsse der Staat jetzt Anreize für Wärmepumpen, Solarkollektoren und Wärmenetze setzen​. Kommunen sollen mit den neuen Mitteln flächendeckende Wärmepläne erstellen, um künftig ganze Viertel von fossiler auf erneuerbare Wärme umzustellen – etwa durch Nahwärmenetze, Geothermie oder industrielle Abwärme. Hierfür sind die zweckgebundenen 100 Milliarden an die Länder vorgesehen​, was zeigt, wie eng Klimaschutz und Infrastruktur verzahnt sind.

Auch die Energiewende in der Stromerzeugung dürfte von dem Finanzpaket profitieren. Die Ampel-Regierung hatte bereits beschlossen, den Ausbau der Erneuerbaren deutlich zu beschleunigen – bis 2030 sollen 80% des Stroms aus Wind und Sonne kommen. Der Bund hat zugesagt, die Finanzierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) künftig aus dem Haushalt zu sichern​, also die Förderkosten für Ökostrom nicht den Stromkunden allein aufzubürden. Ein gemeinsam von SPD, CDU/CSU und Grünen eingebrachter Entschließungsantrag fordert die künftige Regierung explizit auf, diese EEG-Finanzierung solide im Kernhaushalt zu verankern​. Das Sondervermögen schafft hierfür finanziellen Spielraum. Zusätzliche Investitionen könnten in Hochspannungsleitungen, intelligente Netze und Speichertechnologien fließen – all das ist nötig, um Wind- und Solarstrom zuverlässig verfügbar zu machen.

In der Industrie wiederum stehen gewaltige Modernisierungen an, damit Deutschland ein Industrieland bleibt und dennoch klimaneutral wird​. Der KTF fördert schon jetzt Pilotprojekte für grünen Wasserstoff in der Stahlindustrie, klimafreundlichen Zement, Elektroöfen in der Chemie und die Umstellung der Autofabriken auf Elektromobilität. Mit den neuen Milliarden lassen sich solche Programme ausweiten. Wirtschaftsminister Habeck sprach von der Chance, nun „die großen Transformationsschritte“ anzugehen, die bislang aus Budgetgründen verschoben wurden. So könnten künftig Klimaverträge (sogenannte Carbon Contracts for Difference) verstärkt eingesetzt werden, um energieintensiven Unternehmen den Umstieg auf CO₂-freie Produktion zu erleichtern. Auch im Verkehrssektor fordern Fachleute Investitionen – etwa die Reaktivierung eines erschwinglichen bundesweiten Nahverkehrstickets oder Sozialprogramme für E-Autos, die einkommensschwachen Haushalten beim Umstieg helfen​. Insgesamt verspricht die grüne Co-Fraktionschefin Haßelmann, „einen positiven Aufbruch für Deutschland und Europa“, denn die Transformation könne nun mit bislang undenkbarer finanzpolitischer Rückendeckung vorangetrieben werden​. Doch ob die zusätzlichen Milliarden wirklich den Unterschied machen, wird von der Umsetzung abhängen. Claudia Kemfert, Energieökonomin beim DIW, begrüßt das Sondervermögen als „wichtigen Schritt“, mahnt aber, die 100 Milliarden würden die Finanzierungslücke allein nicht schließen – besonders wenn sie auf viele Jahre gestreckt sind​. Entscheidend sei, dass kein Geld versickere oder für „Klientelgeschenke“ zweckentfremdet werde, so Kemfert​. Die Erwartungen sind hoch: Der neue Investitionsschub soll die deutsche Klimapolitik aus der Defensive holen und in konkreten Emissionsreduktionen messbar werden.

Kontroverse im Parlament: Applaus, Alarm und Kritik von rechts

Der Weg zu dieser Entscheidung war politisch ungewöhnlich – und umstritten. Dass ausgerechnet SPD und CDU/CSU, bislang Erzkontrahenten der vergangenen Jahre, gemeinsam ein solches Mega-Paket schnürten, lag an den Machtverhältnissen nach der Bundestagswahl: Keine der traditionellen Lager allein konnte die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung erreichen​. So kam es zu diesem Deal, den manche Beobachter bereits eine „verkappten GroKo auf Zeit“ nannten. Während die Grünen konstruktiv mitverhandelten, lehnten die Liberalen der FDP – ehemals Koalitionspartner der Grünen – das Paket rundweg ab. FDP-Fraktionschef Christian Dürr geißelte den Kompromiss als Bruch aller finanzpolitischen Prinzipien: Union und SPD würden damit „die Schuldenbremse de facto abschaffen“, wetterte er im Plenum​. Zwar räumte auch Dürr ein, dass mehr für Verteidigung getan werden müsse – doch nutzten seiner Ansicht nach SPD und CDU die Themen „Krieg und Frieden“ nur als Vorwand, „um eine linke Wirtschaftspolitik für Deutschland“ durchzusetzen​. Tatsächlich schmerzt es die FDP, dass aus ihrer Sicht konservative und linke Kräfte gemeinsam eine gigantische Staatsverschuldung planen, an der die Marktliberalen nicht mehr beteiligt sind. Ihre eigenen Vorschläge – ein abgespecktes 300-Milliarden-Sondervermögen nur für die Bundeswehr​– fanden keine Mehrheit. Die FDP warnte vor einer Aufweichung verantwortungsvoller Haushaltsführung und einem gefährlichen Präzedenzfall, der künftigen Generationen eine enorme Hypothek aufbürde​.

Noch schärfer kam die Kritik von rechtsaußen. Die AfD denunzierte die Vorgänge als illegitim und sprach von einem „skrupellosen Angriff auf die Verfassung“​, weil das alte Parlament kurz vor Toresschluss noch solch weitreichende Beschlüsse fasste. Ihre Fraktionsvorsitzende Alice Weidel schimpfte, Friedrich Merz werde als „Totengräber der Schuldenbremse“ in die Geschichte eingehen​. Tatsächlich hatte Merz im Wahlkampf strikt versprochen, keine neuen Schulden aufzunehmen​. Nun musste er sich den Vorwurf des Wortbruchs gefallen lassen – auch von Seiten der Linken und der neuen Wagenknecht-Gruppe BSW. Diese Opposition von ganz links und ganz rechts einte ausnahmsweise eine Sorge: dass hier knapp eine Billion Euro neue Schulden in Aussicht gestellt würden (inklusive Zinskosten), ohne dass dafür ein frisches Wählervotum vorlag​. Linken-Vertreterin Heidi Reichinnek nannte das Paket einen „Blankoscheck für Aufrüstung“, während Ex-Linke Sahra Wagenknecht gar von der „größten Wahlbetrug der Geschichte der Bundesrepublik“ sprach​.

Die Kritiker bemühten sogar Karlsruhe: Abgeordnete von AfD, Linken und BSW versuchten mit Eilanträgen das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um die Abstimmung zu stoppen – vergeblich​. Juristisch war das Manöver wasserdicht, da die alte Wahlperiode offiziell erst mit der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags endet​. Politisch jedoch bleibt der Makel, dass eine in Teilen abgewählte Mehrheit Fakten schafft, die den neuen Bundestag binden. Merz und SPD-Chef Klingbeil verteidigten dieses Vorgehen als notwendig angesichts der dramatischen Weltlage. „Außergewöhnliche Zeiten“ erforderten außergewöhnliche Schritte, so Klingbeil​. „Wenn die Geschichte anklopft, muss man die Tür öffnen“, appellierte er pathetisch an die Abgeordneten – man dürfe diese historische Chance nicht verstreichen lassen​. Merz wiederum betonte, die Herausforderungen in Außen- und Sicherheitspolitik hätten sich in den letzten Wochen drastisch verschärft – offenbar spielte er auf unerwartete internationale Entwicklungen an – und man könne die Grundgesetzänderung „mit gutem Gewissen beschließen“, um dem Land „eine Perspektive (zu) eröffnen, die dringend geboten ist“​.

Dass Merz als wahrscheinlicher neuer Kanzler hier den Schulterschluss mit SPD und Grünen suchte, hat innenpolitisch Staub aufgewirbelt. Britta Haßelmann (Grüne) hielt dem CDU-Chef vor, die Schuldenbremse nicht schon früher reformiert zu haben und erst unter dem Druck der Lage einzulenken​.

In der Tat hatte die grüne Seite in der Ampel jahrelang gegen den Widerstand von FDP und Union flexiblere Investitionsregeln gefordert – vergeblich. Nun, da die Union in Regierungsverantwortung strebt, geht plötzlich, was früher blockiert wurde. Diese Kehrtwende blieb auch der Öffentlichkeit nicht verborgen. Gleichwohl signalisiert die breite Mehrheit im Bundestag, dass jenseits aller parteipolitischen Spitzen ein Konsens gewachsen ist: Klimaschutz und Sicherheitsvorsorge sind von so vitaler Bedeutung, dass man dafür sogar das heilige Dogma der schwarzen Null opfert. 512 Ja-Stimmen aus fast allen Lagern – dieses Ergebnis wäre noch vor einem Jahr undenkbar gewesen​

Bedeutung für Klimaschutz: Innenpolitisch Aufbruch, außenpolitisch Signal

Mit dem neuen Sondervermögen hebt Deutschland seinen Klimaschutz auf eine neue politische Stufe – und sendet auch international ein Signal. Innenpolitisch bedeutet die Entscheidung, dass Klimapolitik nun institutionalisiert und finanziell hinterlegt wird wie nie zuvor. Klimaschutz ist nicht länger ein nice-to-have, das in Haushaltsverhandlungen um jeden Euro kämpfen muss, sondern ein vom Grundgesetz begünstigter Ausgabenbereich. Der Klimaneutralität bis 2045 wurde quasi Verfassungsrang eingeräumt​. Dies dürfte die Planungssicherheit für alle Akteure erhöhen: Unternehmen können eher damit rechnen, dass Förderprogramme langfristig finanziert werden; Kommunen und Länder erhalten über ein Jahrzehnt verlässliche Unterstützung für die Klimawende vor Ort. Die politische Dimension ist klar: Klimaschutz ist kein nachgeordneter Politikbereich mehr, sondern zentraler Bestandteil der Daseinsvorsorge. In der Innenpolitik könnten künftige Streitfragen daher weniger um das ob als um das wie der Klimainvestitionen gehen. Selbst eine unionsgeführte Regierung hat sich nun mitverpflichtet, enorme Mittel in den grünen Umbau zu stecken. Die Grünen sehen damit ihren jahrzehntelangen Kampf bestätigt – und auch Teile der SPD dürften erleichtert sein, aus der Defensive herauszukommen. Interessanterweise hat auch die konservative Seite einen Schwenk vollzogen: Friedrich Merz inszenierte sich in den Verhandlungen fast als Klimakanzler in spe, indem er die Idee unterstützte, Klimaneutralität sogar im Grundgesetz zu verankern​. Dass ein CDU-Chef dies mitträgt, werten Beobachter als Indiz, wie sehr der Klimaschutz die politische Mitte erreicht hat.

In der Außen- und Europapolitik wird die Entscheidung ebenfalls aufmerksam registriert. Deutschland, oft kritisiert für verpasste Klimaziele der Vergangenheit, unternimmt nun einen Kraftakt, der es näher an die Ziele des Pariser Klimaabkommens bringen soll. Die zusätzlichen Investitionen werden nötig sein, um die Emissionskurve ausreichend zu senken – und sie untermauern die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimadiplomatie. Außenministerin Baerbock hat immer wieder betont, dass deutsche Klimapolitik auch Außenpolitik ist. In ihren Ausführungen verwies sie darauf, dass etwa die Unterstützung der Ukraine, die Energiesouveränität Europas und der Kampf gegen die Klimakrise Hand in Hand gehen müssen​. Mit dem Sondervermögen kann Deutschland nun international stärker als Vorreiter auftreten: Ob in der EU, wo man auf gemeinsame Industrieprojekte für grünen Wasserstoff drängt, oder auf UN-Klimakonferenzen, wo Industrieländer unter Druck stehen, Finanzierung für Klimaschutz und Anpassung bereitzustellen.

Insbesondere in der EU könnte Deutschlands Schritt Auswirkungen haben. Die Europäische Kommission hat bereits angedeutet, bei neuen Fiskalregeln Investitionen in Klimaschutz und Verteidigung anders behandeln zu wollen als Konsumausgaben. Berlin geht hier faktisch voran, indem es national die Fesseln lockert. Das könnte Debatten in anderen Hauptstädten auslösen: Frankreich und Italien etwa fordern seit Längerem, das enge Korsett der EU-Defizitregeln für zukunftsorientierte Investitionen zu dehnen. Nun liefert ausgerechnet der lange als Sparweltmeister geltende deutsche Staat ein Beispiel, dass große Kredite für Klimaziele legitim und notwendig sind. In Brüssel dürfte man die Nachricht daher mit gemischten Gefühlen aufnehmen: Einerseits begrüßt man jede Beschleunigung der Energiewende im wichtigsten Mitgliedstaat; andererseits werden kleinere Länder genau hinsehen, ob Deutschlands Sonderweg mit den gemeinsamen Haushaltsregeln vereinbar bleibt. Entscheidend wird sein, dass die Mittel effizient eingesetzt werden und Deutschlands Emissionsreduktions-Ziele tatsächlich erreicht (oder übertroffen) werden. Gelingt dies, könnte das Modell Schule machen und ein Green New Deal auf europäischer Ebene weiteren Schub bekommen.

Auch global, im Kontext der Vereinten Nationen, passt die Entscheidung in den Zeitgeist. UN-Generalsekretär António Guterres mahnt seit Jahren, die Industrieländer müssten “Allianzen für Klimasicherheit” schmieden, weil die Erderhitzung ein Friedensrisiko darstellt. Deutschland verknüpft nun Klimaschutz und Sicherheitspolitik in einem Atemzug – genau diese Verbindung wird international immer häufiger gezogen, wenn es etwa um klimabedingte Konflikte oder Flüchtlingsströme geht. Deutschlands neuer Fonds untermauert die Botschaft, dass Klimaschutz kein Luxus ist, sondern essenziell für Stabilität. Zudem verschafft die Finanzreserve der Bundesregierung Handlungsspielraum, um auch international Verantwortung zu übernehmen – sei es durch höhere Beiträge zu Klimafonds für arme Länder, Technologietransfers oder Energiepartnerschaften. Die Grünen fordern bereits, einen Teil der Mittel für internationale Klimafinanzierung zu reservieren, um Deutschlands Zusagen im Rahmen des Pariser Abkommens zu erfüllen. Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch regte an, mindestens zehn Prozent der KTF-Ausgaben für globale Klimaschutzprojekte und Anpassung bereitzustellen, um der weltweiten Verantwortung gerecht zu werden​. Solche Ideen dürften in den kommenden Monaten diskutiert werden.

Ausblick: Herausforderung und Chance zugleich

Mit dem Beschluss des Sondervermögens hat Deutschland einen politischen Kraftakt vollbracht – eine große Koalition der Vernunft, sagen die einen, einen Dammbruch in der Finanzpolitik, warnen die anderen. Für den Klimaschutz jedoch markiert die Entscheidung einen lange erhofften Durchbruch. Die notwendigen Investitionen in CO₂-Neutralität, nachhaltige Industrie und klimafeste Infrastruktur werden endlich als das behandelt, was sie sind: eine Frage der nationalen Sicherheit und der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft. Die Verzahnung von Klimapolitik, Sicherheitspolitik und wirtschaftlicher Transformation ist nun Regierungsprogramm – unabhängig davon, wer exakt die nächste Regierung stellt. Robert Habeck spricht von einem „positiven Aufbruch für Deutschland und Europa“, der allerhöchste Zeit komme​. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob das Milliardenpaket hält, was sich Klimaexperten und politische Architekten davon versprechen. Klar ist aber schon jetzt: Die Rolle des Klimaschutzes in der deutschen Innen- und Außenpolitik wird durch diese Entscheidung enorm gestärkt.

Deutschland sendet die Botschaft, dass es den Kampf gegen die Klimakrise mit derselben Entschlossenheit führen will, die es für seine äußere Sicherheit aufbringt. In Zeiten multipler Krisen – vom Ukrainekrieg bis zu Hitzerekorden – beschreitet die Bundesrepublik damit Neuland. „Investitionen in unsere Sicherheit und in die Infrastruktur – das gehört zusammen“, hatte Lars Klingbeil im Bundestag erklärt​. Diese neue Denkweise ist nun Realität: Klimaschutz ist Sicherheitspolitik. Es ist ein Paradigmenwechsel, der Hoffnung macht, aber auch Verpflichtung bedeutet, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen. Denn das Sondervermögen ist kein Selbstzweck – es ist ein Versprechen an kommende Generationen, Wohlstand und Klima in Einklang zu bringen. Die Welt schaut nun gespannt auf Deutschlands Experiment einer grünen Zeitenwende. Ob es am Ende als Erfolgsgeschichte in die Annalen eingeht, wird davon abhängen, wie entschlossen und smart die Mittel tatsächlich in CO₂-Einsparungen, neue Technologien und resiliente Strukturen umgesetzt werden. Doch die Richtung stimmt: Klimaschutz steht jetzt im Zentrum – finanziell, politisch und historisch.