Starkregen ist keine neue Bedrohung – aber die Art, wie er sich verändert, gibt Forschern seit Jahren Rätsel auf. Eine neue Studie aus Potsdam könnte eine alte Debatte nun endlich beenden.
Wer an Klimawandel denkt, denkt oft an Dürren. Aber die größere Gefahr für Städte und ihre Bewohner kommt von oben: Extremregen, der in kurzer Zeit Straßen flutet, Häuser beschädigt und Menschenleben gefährdet.
Seit Jahrzehnten gibt es eine einfache Faustregel: Mit jedem Grad Celsius mehr Temperatur kann die Luft etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen – und theoretisch auch sieben Prozent mehr Regen abladen. Diese sogenannte Clausius-Clapeyron-Beziehung wurde lange als Standard angenommen. Bis 2008 eine niederländische Studie zeigte, dass die Realität anders aussieht: Bei Gewittern könne die Regenmenge doppelt so stark ansteigen – um bis zu 14 Prozent pro Grad. Seither lieferten sich Klimaforscher einen Wettlauf: Bestätigen? Widerlegen?
Jetzt haben zwei Wissenschaftler der Universität Potsdam und des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen eine Antwort gefunden. In ihrer aktuellen Arbeit, veröffentlicht in Nature Geoscience, kombinieren sie hochfrequente Niederschlagsdaten mit Blitzerfassungen. Das erlaubt ihnen, zwei Typen von Regen klar zu trennen: den gleichmäßigen Dauerregen und die kurzen, intensiven Gewittergüsse.
Das Ergebnis ist ebenso schlicht wie revolutionär: Betrachtet man die beiden Arten getrennt, folgt der Anstieg der Regenmenge ziemlich genau der klassischen Clausius-Clapeyron-Regel. Erst wenn beides zusammen ausgewertet wird – was in sogenannten Wolken-Clustern häufig der Fall ist –, scheint der Anstieg überproportional. Die vermeintliche „Super-Skalierung“ ist also keine echte Naturgesetzmäßigkeit, sondern ein statistischer Effekt.
Heißt das, Entwarnung? Im Gegenteil. Gerade die Wolken-Cluster, bei denen sich beide Regenarten mischen, sind verantwortlich für die schlimmsten Sturzfluten. Und weil sie bei höheren Temperaturen häufiger und intensiver auftreten könnten, droht in Zukunft noch mehr Extremwetter – insbesondere in dicht besiedelten Städten.
Manchmal bestätigt die Wissenschaft alte Hypothesen. Und manchmal erklärt sie, warum das Alte trotzdem nicht mehr ausreicht.
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