Früher, sagt der Bauer, reichte ein einfacher Brunnen. Zwanzig, vielleicht dreißig Meter tief – das Wasser kam klar und kühl aus der Erde. Heute bohrt er über hundert Meter tief, manchmal mehr. Was kommt, ist oft salzig. Unbrauchbar. Und teuer.

In der Morgendämmerung steht er auf seinem Feld im südlichen Punjab, zwischen den langen Reihen Zuckerrohr. Der Boden unter seinen Füßen ist rissig. Der Wind trägt feinen Staub mit sich. Kein Regen seit Wochen. Die Pumpen laufen trotzdem, Stunde um Stunde, getrieben von der Hoffnung, dass irgendwo in der Tiefe noch Wasser ist.

So beginnt ein ganz normaler Tag in einem Land, das am Rand einer Wasserkatastrophe steht – und sich selbst immer tiefer hinein „bewässert“.

Ein Land im Wasserstress

Pakistan gehört zu den wasserärmsten Ländern der Welt. Experten warnen: Wenn sich der Wasserverbrauch nicht drastisch ändert, könnte das Land innerhalb der nächsten Jahrzehnte seine natürlichen Vorräte erschöpfen. Dabei hängt ein Großteil der Wirtschaft direkt vom Wasser ab – vor allem die Landwirtschaft, die 90 Prozent des verfügbaren Wassers verbraucht.

Doch anstatt auf Sparsamkeit und Effizienz zu setzen, kultiviert Pakistan weiter zwei der durstigsten Pflanzen weltweit: Zuckerrohr und Reis.

Zucker – süß, aber teuer

Zuckerrohr wächst auf rund 3,2 Millionen Hektar Land in Pakistan. Jährlich benötigt diese eine Pflanze rund 18 Milliarden Kubikmeter (MAF) Wasser – das sind 17 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs des Landes.

Und doch ist der Anbau ineffizient. Die Zuckerrohrsorten, die in Pakistan wachsen, enthalten nur 8 bis 10 Prozent Saccharose – im internationalen Vergleich liegt der Gehalt oft bei 12 bis 14 Prozent. Um die gleiche Menge Zucker zu gewinnen, braucht Pakistan also mehr Pflanzen, mehr Fläche – und deutlich mehr Wasser.

Allein der Prozess der Zuckerraffinierung verschärft das Problem: Für ein Kilogramm Zucker werden 1.750 Liter Wasser benötigt. Bei einer Jahresproduktion von sechs Millionen Tonnen summiert sich das auf über 10 MAF Wasserverbrauch nur für Zucker.

Warum das niemand stoppt? Die Zuckerindustrie ist mächtig. Sie wird großzügig subventioniert. Der Anbau lohnt sich – zumindest für die Produzenten. Für das Land hingegen ist Zucker längst ein ökologischer Luxus, den es sich kaum noch leisten kann.

Der stille Abfluss: Reis und virtuelles Wasser

Auch Reis ist ein massiver Wasserverbraucher – nicht nur beim Anbau, sondern auch durch den Export. Jährlich gehen rund 4 Millionen Tonnen Reis aus Pakistan in alle Welt – und mit ihnen 8,1 MAF virtuelles Wasser. Das ist mehr als Karachi, Pakistans größte Stadt, in 18 Monaten verbraucht.

Trotz des enormen Verbrauchs arbeiten viele Landwirte noch immer mit veralteten Flutbewässerungssystemen. Pro Saison werden oft doppelt so viel Wasser eingesetzt wie eigentlich nötig. Die Folge: Wasserverschwendung, Bodenerosion – und eine Wasserproduktivität, die weit hinter vergleichbaren Ländern wie Ägypten liegt.

Zwei Provinzen, zwei Krisen

Die Auswirkungen sind in den wichtigsten Agrarregionen des Landes bereits deutlich spürbar.

Zuckerrohr wächst auf rund 3,2 Millionen Hektar Land in Pakistan. Jährlich benötigt diese eine Pflanze rund 18 Milliarden Kubikmeter (MAF) Wasser – das sind 17 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs des Landes.(Foto: Jeevan Singla auf Pixabay.de)

In Punjab, wo der Großteil der Grundnahrungsmittel produziert wird, wird das Grundwasser in rasantem Tempo abgepumpt. Jahr für Jahr fließen über 50 MAF aus den Tiefen der Erde – fast das Vierfache dessen, was an Oberfläche gespeichert werden kann. Die Folge: Versalzene Böden, sinkende Erträge, wachsende Armut.

Im Süden, in Sindh, sieht es anders – aber nicht besser – aus. Hier verursacht übermäßige Bewässerung Wasserlogging und Versalzung. Fast die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Flächen im Norden Sindhs ist betroffen. Durch undichte Kanäle wie den Sukkur Barrage gehen jährlich schätzungsweise 4 MAF Wasser durch Versickerung verloren. Was übrig bleibt, bringt Salz an die Oberfläche – und macht Böden unfruchtbar.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Schon Anfang der 2000er Jahre schätzte die Weltbank die wirtschaftlichen Verluste durch Bodenversalzung auf 1,5 Milliarden US-Dollar jährlich – Tendenz steigend. Gleichzeitig steigen die Kosten für Importe, weil immer mehr ehemals produktive Böden aufgegeben werden müssen.

Was fehlt, sind konsequente Reformen:

  • Moderne Bewässerungstechniken,

  • ein Wechsel zu weniger wasserintensiven Kulturen,

  • sowie ein politischer Wille, die übermächtigen Agrarlobbys in ihre Schranken zu weisen.

Wasser ist Leben – und längst nicht mehr selbstverständlich

Die Rechnung ist einfach: Ohne Wasser gibt es keine Landwirtschaft. Ohne Landwirtschaft keine Ernährungssicherheit. Und ohne Ernährungssicherheit keine wirtschaftliche und soziale Stabilität. Pakistan muss sich entscheiden. Weiter wie bisher – oder ein radikaler Kurswechsel. Noch ist Zeit, das Ruder herumzureißen. Aber der Brunnen, aus dem bald nur noch Staub kommt, ist längst kein Symbol mehr. Er ist Realität.