Bildung und Ausbildung sind für Volkswirtschaften eines der wichtigsten Fundamente für die Entwicklung und für eine prosperierende Wirtschaft. Afrika hat 1,2 Milliarden Einwohner und beheimatet damit 16 Prozent der Weltbevölkerung. Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass sich die Bevölkerungszahlen bis 2050 verdoppeln dürfte.

Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird die Weltbevölkerung voraussichtlich um 3,8 Milliarden Menschen anwachsen – davon 3,2 Milliarden Afrikaner. 39 Prozent der Weltbevölkerung dürften dann in Afrika leben.

Die Kluft zwischen Bevölkerungswachstum auf der einen Seite und Bildungsarmut auf der anderen Seite, nimmt bedrohliche Ausmaße an.

Das schnelle Wachstum wird zu noch mehr Druck auf die Bildungssysteme führen und den Bedarf an qualifizierten Lehrkräften dramatisch erhöhen. Wenn wir uns die Schätzungen für 2030 ansehen, brauchen wir bereits dann 20 bis 30 Millionen zusätzliche Lehrer, um die internationalen Bildungsziele zu erreichen. Und der derzeitige Ausbildungsstand ist unzureichend.

Über die Entwicklungen und Ideen, wie man mit sinnvollen Initiativen Gegenhalten kann, sprachen wir mit Dr. Matthias Afting, CEO von COGNOS International, einem deutschen Bildungsunternehmen, dass sich mit Ausbildung und Bildung weltweit beschäftigt. Afrika ist für das Unternehmen ein Schlüsselfaktor in der Unternehmensentwicklung.

Dr. Matthias Afting ist CEO von COGNOS International

Herr Dr. Afting, wo liegen Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen für den afrikanischen Kontinent?

Das Durchschnittsalter in Afrika liegt bei 18 Jahren. Dazu kommt ein rasantes Bevölkerungswachstum. Das bedeutet, mehrere Milliarden junge Menschen brauchen in den nächsten 25 Jahren eine Ausbildung und eine Beschäftigung, also eine ehrliche Lebensperspektive in Afrika. Bildung ist für den afrikanischen Kontinent die eigentliche Jahrhundertfrage – und indirekt auch für Europa. Und eine Antwort gelingt nur, wenn unsere Bildungsangebote in Afrika Absolventen hervorbringen, die neue Jobs schaffen, statt Absolventen, die ausschließlich Jobs suchen. Deshalb legen wir einen großen Bildungsfokus auf Unternehmertum und Start-ups. Wir können nicht davon ausgehen, dass internationale Firmen den Bedarf an Arbeitsplätzen in Afrika decken werden. Dafür brauchen wir afrikanische Unternehmen und innovative, afrikanische Geschäftsideen.

Wo liegen für Sie die größten Herausforderungen in Afrika, wenn wir an das Thema Bildung und Ausbildung denken?

Bildung ist für die Menschen in Afrika einer der Schlüsselfaktoren für ein selbstbestimmtes wirtschaftliches Leben. Nicht umsonst wird Bildung in den Sustainable Development Goals der UN nach Freiheit von Armut, Hunger und Krankheit direkt auf Platz 4 genannt. Die Menschen in Afrika spüren tagtäglich, dass Bildung und Ausbildung den wirklichen Unterschied machen – allerdings haben nicht alle einen Zugang zu wirklich hochqualitativer Bildung oder können sich diese leisten. Im Bereich der Grundschulbildung ist in den letzten Jahrzehnten sehr viel erreicht worden. Im Bereich der höheren Bildung steht das noch aus. Viele Schulabgänger haben leider nicht die formalen Anforderungen beispielsweise an ein Hochschulstudium. Da braucht es innovative Bildungsformate.

Herr Dr. Afting, Afrika ist unser Nachbarkontinent, worin erklären Sie sich die Zurückhaltung von Unternehmen in Afrika in Bildung zu investieren? Können Privatunternehmen das Thema Bildung in Afrika unterstützen? Welche Voraussetzungen müssten sie schaffen?

Unser Bild von Afrika ist immer noch geprägt von Hungerhilfe und / oder Korruptionsberichten. Das kann in manchen Ländern leider auch noch Thema sein, aber: Vielen von uns in Europa ist kaum bewusst, wie sehr gerade die technologische und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika vorangeschritten ist. In Afrika wurde die „Generation Festnetz“ schlichtweg übersprungen. Das Internet und die Digitalisierung sind stellenweise weiter vorangeschritten als in manchen Regionen Europas. Facebook eröffnet gerade in Nigeria ein Büro, Google und Twitter in Ghana – und gerade digitale Tech Start-ups erleben einen Höhenflug. Allein durch das Bevölkerungswachstum gibt es in Afrika ein Wirtschaftswachstum, das deutlich über dem vieler Industrienationen liegt. Was häufig noch fehlt, ist die ist die Kaufkraft über breite Bevölkerungsschichten hinweg– auch aus Mangel an der notwendigen Ausbildung. Denn die Investition in die Ausbildung der Menschen muss hier mithalten. Aber genau das ist der Bereich, wo Investitionen helfen können, langfristig einen ganzen Markt zu erschließen. Wir werden einen Kontinent, dessen Bevölkerung mit 2,5 % pro Jahr wächst, nicht dauerhaft ausblenden können.

Wie können Bildungskonzepte in Afrika aussehen? Sind diese nur als Station zu betrachten, wie sind die Chancen für digitale Bildungspakete?

Wir erleben, dass Bildung in Afrika modular aufgebaut sein muss: Viele Menschen müssen ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdienen und haben keine Zeit für drei Jahre Vollzeit-Studium. Ein Bildungskonzept, bei dem man die einzelnen Bestandteile nach und nach absolvieren und später zum Abschluss zusammenfügen kann, passt besser in diese Lebenssituation. Und natürlich spielen digitale Formate dabei ebenfalls eine große Rolle, diese werden sehr gut angenommen. Die Zukunft wird also darin liegen, digitale Formate mit Präsenz- und Netzwerkveranstaltungen zu verknüpfen und nebenberuflich möglich zu machen. Und das gilt nicht nur für Privatpersonen: Auch für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen in Afrika brauchen wir innovative Bildungskonzepte. Daran arbeiten wir sehr konkret.

Herr Dr. Afting, wie sind Sie konkret in Afrika engagiert?

Wir führen u.a. mit verschiedensten Partnern vor Ort Bildungsformate sowohl in Präsenz als auch in digitalen Formaten durch. Unter anderem bieten wir spezielle Ausbildungen für Frauen („Female Empowerment“), Unternehmertum, Handwerksberufe, aber auch für das Gesundheitswesen an. Aktuell arbeiten wir an Projekten in elf verschiedenen Ländern Afrikas mit fünf verschiedenen Partnerorganisationen. Manche Formate werden von Stiftungen finanziert, andere von Firmen. Wieder andere von staatlicher Entwicklungshilfe oder von Teilnahmegebühren. Das positive Feedback hat dabei selbst uns überrascht. Oft waren die Teilnehmer so begeistert, dass unsere Trainings mit durchschnittlich 4,8 von 5 möglichen Sternen bewertet wurden. Das freut und bestärkt uns natürlich, zeigt aber vor allem, wie dankbar die Teilnehmer für diese Angebote sind.

Digitalisierung ist nicht nur im deutschen Schulsystem eine Herausforderung, wie wir es in der Pandemie gelernt und erfahren haben. Wie sehen Sie die Chancen in Afrika?

Natürlich mussten auch wir zu Beginn der Pandemie neue Formate initiieren. Das ist uns schnell gelungen und wir konnten in kurzer Zeit innovative digitale Bildungsangebote in Afrika zur Verfügung stellen. Wir waren ehrlich gesagt überrascht, wie groß von Beginn an die Akzeptanz von digitalen Bildungsformaten in Afrika war. Die Menschen haben erkannt, dass es eine Chance ist, hochkarätige Speaker zu hören, die man vor Ort so schnell und einfach nicht zu Gesicht bekommen hätte. Die höchste Akzeptanz erleben wir, wenn wir Präsenztrainings mit den digitalen Formaten kombinieren – das wollen und werden wir auch nach der Pandemie sicher weiterführen und weiterentwickeln.

Wenn Sie drei Wünsche an die deutsche Entwicklungspolitik frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Erstens: Langfristige Projekthorizonte, zweitens: größere Offenheit für innovative Ideen und drittens: stärkere Förderung privatwirtschaftlicher Ansätze. Was wir brauchen sind nicht kurzfristige karitative Projekte, die nach zwei bis drei Jahren Platz machen für die nächsten Projektideen. Stattdessen müssen wir den langfristigen Aufbau nachhaltiger Bildungsstrukturen mit innovativen Formaten fördern. Wenn Sie ein Bildungszentrum mit mehrjährigen Studiengängen aufbauen, so brauchen Sie ja allein schon drei bis vier Jahre, bis die ersten Absolventen ihren Abschluss machen (können). Wenn man das modular anbietet, damit die Teilnehmer nebenbei einem Erwerb nachgehen können, dauert das sogar noch länger. Ein solches Projekt kann nicht in kurzen Förderzeiträumen umgesetzt werden. Unser Ziel ist, in langfristigen Projekten Visionäre und Gründer auszubilden und so zu fördern, dass sie afrikanische Unternehmen und Jobs aufbauen, um einer ganzen Generation von jungen Menschen in Afrika eine Lebensperspektive zu geben. Der Unternehmergeist und die Ideen sind da, doch die Rahmenbedingungen, in denen so etwas gedeihen kann, sind nicht überall vorhanden und häufig auch noch nicht flexibel genug.

Herr Dr. Afting, wo sehen Sie Ihr Unternehmen in zehn Jahren?

Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, einer ganzen Generation von afrikanischen Menschen nachhaltige Bildungs- und Erwerbsperspektiven zu ermöglichen und damit den Grundstein für ihr wirtschaftlich selbständiges Leben zu legen. Natürlich passen wir unsere Bildungsformate an die afrikanischen Bedürfnisse an, beispielsweise – wie schon erwähnt – als modulares Angebot. Für uns ist wichtig, dass wir dieselben Standards anwenden, die wir auch in unseren Europäischen Bildungseinrichtungen anlegen. Wir sind überzeugt, wenn wir eine nachhaltige Antwort auf die Jahrhundertfrage nach Ausbildung und Beschäftigung in Afrika haben, dann werden wir auch privatwirtschaftlich erfolgreich sein.

Dr. Matthias Afting ist CEO der COGNOS International. Er ist promovierter Humanmediziner und war Fellow der Harvard University