Der Stickoxidausstoß  von Dieselfahrzeugen ist wieder in den Fokus gerückt. Dieser ist aufgrund der unterschiedlichen Motorentechnik schon immer höher als bei Benzinautos. Dafür verbrauchen Diesel weniger Treibstoff. Gelänge es, Dieselabgase effizient zu «entsticken», hätte man einen sparsamen, sauberen Motor. Forscher des schweizerischen EMPA Institutes, arbeiten daran, die Katalysatortechnologie für Diesel zu optimieren.
Im Vergleich zu Benzinern verbrennen Dieselmotoren ihren Treibstoff effizienter – und stossen daher entsprechend weniger vom Treibhausgas Kohlendioxid aus. Dies unter anderem, weil Dieselmotoren mit Luftüberschuss im so genannten Magerbetrieb arbeiten. Wegen des «überschüssigen» Luftsauerstoffs im Abgas kann allerdings der aus Benzinmotoren bekannte 3-Wege-Katalysator, der zum Beispiel mehr als 98 Prozent der giftigen Stickoxide (NOx) im Abgas abbaut, bei Dieselmotoren nicht eingesetzt werden.
Adblue Harnstoff als Säuberung von Stickoxiden
Um Dieselabgase trotzdem von Stickoxiden zu reinigen, wird ein Verfahren eingesetzt, das ursprünglich zur Entstickung von Kraftwerksabgasen entwickelt wurde. Vor knapp zehn Jahren kamen erstmals Lastwagen mit dieser neuen Technologie auf die Strasse. Das Verfahren nutzt eine wässrige Harnstofflösung mit dem Handelsnamen «AdBlue», um die Stickoxide über verschiedene chemische Reaktionen in einem speziellen, für die NOx-Reduktion optimierten SCR-Katalysator (von engl. «selective reduction catalyst») in harmlosen Stickstoff umzuwandeln. AdBlue wird im Fahrzeug in einem separaten Tank mitgeführt und muss von Zeit zu Zeit nachgefüllt werden, typischerweise beim Service des Fahrzeugs.
SCR-Systeme sind jedoch deutlich komplexer als ein herkömmlicher 3-Wege-Katalysator in Benzinmotoren. Beispielsweise muss die Dosierung des AdBlue-Harnstoffs genau auf die vom Motor ausgestossenen Menge an Stickoxiden abgestimmt sein; eine zu tiefe Dosierung bringt nicht die von Gesetzes wegen vorgeschriebene NOx-Reduktion, und eine zu hohe Dosierung resultiert in unerwünschten Ammoniak-Emissionen. Kommt dazu, dass AdBlue bei Abgastemperaturen unter 200°C dazu neigt, Ablagerungen zu bilden, die den SCR-Katalysator über kurz oder lang verstopfen. SCR-Systeme müssen deshalb spezifisch auf die verschiedenen Motortypen und die zu erwartenden Lastwechsel – sprich: das Fahrverhalten – angepasst und optimiert werden, was ein aufwändiges und daher teures Verfahren ist.

Diagramm

Die Analysen im Empa-Motorenlabor zeigen die planare Verteilung von AdBlue im Dieselabgas (rot = hohe Konzentrationen; blau = tiefe Konzentrationen). Ideal wäre eine möglichst gleichmässige Verteilung der «Reinigungssubstanz» AdBlue. (Foto: Empa)


EURO-6: Erstmals gleiche NOx-Spiesse für Benziner und Diesel
Bei Personenwagen kommen SCR-Systeme erst seit Kurzem zum Einsatz. Die derzeit vorgeschriebenen Grenzwerte sowohl in Europa als auch in den USA verlangen, dass SCR-Katalysatoren den Stickoxidgehalt im Dieselabgas um mehr als 95 Prozent senken. Zudem gelten mit der im September 2014 eingeführten EURO-6-Norm erstmals die gleichen NOx-Grenzwerte für Benzin- und Dieselfahrzeuge; zuvor hat man den Dieselfahrzeugen in Europa stets ein wenig mehr NOx-Ausstoss zugestanden.
Das Empa-Labor für Fahrzeugantriebssysteme unter der Leitung von Christian Bach befasst sich seit einigen Jahren mit derartigen Systemen und hat dafür ein spezielles Hochtemperaturströmungslabor eingerichtet. Zwei Doktoranden in Bachs Team untersuchen zurzeit verschiedene AdBlue-Einspritzverfahren mit dem Ziel, eine möglichst optimale Zerstäubung und homogene Verteilung der wässrigen Harnstofflösung im Abgasstrom zu erreichen. Dabei setzen die Forscher lasergestützte optische Messverfahren ein, um die winzigen AdBlue-Tröpfchen im Abgasstrom zu quantifizieren und zu visualisieren und deren Verdampfung und chemischen Umwandlung zu untersuchen.
Besseres technisches Verständnis für sauberere Diesel
Die experimentellen Ergebnisse werden in Zusammenarbeit mit Forschern der ETH Zürich und des «Politecnico di Milano» genutzt, um Computersimulationen der AdBlue-Einspritzung physikalisch korrekt zu parametrisieren und die Simulationsmodelle zu validieren. Mit solchen Simulationen lässt sich dann die Konversionsrate des Katalysators unter verschiedenen Betriebsbedingungen vorhersagen. «Damit leistet die Empa einen Beitrag zur weiteren Abgasminderung bei Dieselfahrzeugen», so Bach. «Je besser wir diese Technologien im Detail verstehen, desto sauberer wird der Betrieb von Dieselfahrzeugen auf der Strasse.»