Es ist längst mehr als ein Imagefaktor: Klimaschutz ist zum harten Bestandteil unternehmerischer Strategien geworden. Wer heute wachsen will, muss nicht nur Produkte verkaufen – sondern auch Antworten auf eine sich radikal verändernde Welt bieten. Doch wie gelingt das, wenn man kein Start-up ist, sondern ein Konzern mit gewachsenen Strukturen, alten Märkten – und Milliardenverantwortung?

Ein aktueller McKinsey-Bericht zeigt: Die großen, etablierten Unternehmen – oft als „Incumbents“ bezeichnet – könnten zu den Gewinnern der Klimatransformation gehören. Wenn sie es richtig anstellen. Denn mit Erfahrung, Kapital und Marktstellung im Rücken verfügen sie über die besten Voraussetzungen, um klimabezogenes Wachstum nicht nur mitzudenken, sondern zu gestalten.

Zwischen 2019 und 2023 investierten 377 der weltweit größten Unternehmen aus emissionsintensiven Branchen rund 683 Milliarden US-Dollar in klimabezogene Geschäftsmodelle. Das ist rund sechs Mal so viel wie noch vier Jahre zuvor. Der Trend ist eindeutig: Die grüne Wende ist kein Nischenthema mehr – sie ist zur strategischen Notwendigkeit geworden.

Doch in dieser Woche hat sich das geopolitische Spielfeld noch einmal verändert. Mit der offiziellen Inkraftsetzung seiner umfassenden Zollagenda am sogenannten „Liberation Day“ hat US-Präsident Donald Trump die Regeln des internationalen Handels fundamental verschoben. Die neuen Reziprozitätszölle treffen insbesondere europäische Schlüsselbranchen – darunter Maschinenbau, Automobil- und Chemieindustrie –, also genau jene Industrien, die bisher als tragende Säulen der grünen Transformation galten.

Klimainvestitionen unter Druck?

Trump’s neue Zollpolitik, die neben einem allgemeinen Basistarif von 10 Prozent auch branchenspezifische Sonderzölle von bis zu 25 Prozent umfasst, erhöht nicht nur den ökonomischen Druck auf exportorientierte Konzerne – sie wirft auch die Frage auf, wie klimabezogene Investitionen in einem zunehmend protektionistischen Umfeld noch strategisch abgesichert werden können.

Denn grüne Technologien – etwa Batteriezellen, Solarmodule oder emissionsarme Industrieanlagen – sind stark international verflochten. Lieferketten, Kapitalflüsse und technologische Partnerschaften beruhen auf offener Kooperation. Wenn diese durch Zölle verteuert oder gar blockiert werden, geraten selbst ambitionierte Klimastrategien ins Wanken.

Gleichzeitig könnte sich gerade in dieser Verschärfung ein Momentum für europäische Unternehmen ergeben: Die Notwendigkeit, technologische Souveränität in Schlüsselbereichen wie Wasserstoff, grüner Stahl oder Energiespeicher auszubauen, bekommt durch die neuen globalen Unsicherheiten eine zusätzliche Dringlichkeit.

Mehr als gute Vorsätze: Drei Gründe für klimabezogene Investitionen

Was treibt etablierte Unternehmen an, trotz geopolitischer Risiken in neue grüne Geschäftsfelder zu investieren? Der McKinsey-Bericht nennt drei Motive: Erstens die Aussicht auf neue Wachstumschancen. Zweitens der Druck, bestehende – oft fossile – Geschäftsmodelle mittelfristig zu ersetzen. Drittens die zunehmenden regulatorischen Anforderungen durch ESG-Standards, Berichtspflichten und internationale Klimaziele.

Dabei konzentriert sich der Großteil der Investitionen auf Technologien, die bereits am Markt angekommen, aber noch nicht breit skaliert sind: Solarenergie, Windkraft (Onshore), Elektromobilität und Batteriespeicher machen über 80 Prozent des globalen Investitionsvolumens aus.

Was erfolgreiche Pioniere anders machen

Auch Großunternehmen beweisen inzwischen, wie man aus Stärke heraus Wandel gestalten kann. Erfolgreiche Beispiele finden sich vor allem bei jenen, die nicht auf externe Impulse warten, sondern ihre Innovationskraft intern neu aufstellen. Sie schaffen eigene Produktionslinien, bauen Infrastruktur auf, entwickeln neue Plattformen – und begreifen Klimainvestitionen nicht als PR-Geste, sondern als operativen Kern.

Trotz globaler Unsicherheiten ist eines klar: Der Wettlauf um die nächste industrielle Ordnung hat begonnen. Wer heute investiert, handelt nicht nur im Interesse des Planeten – sondern sichert sich auch Marktanteile, Technologiekompetenz und geopolitischen Handlungsspielraum.

Die Stunde der Etablierten – oder die Stunde des Zögerns?

McKinsey formuliert es deutlich: Incumbents haben jetzt die Chance, mehr als nur aufzuholen. Sie können die Spielregeln mitbestimmen – wenn sie die Dynamik erkennen und strategisch klug agieren. Dafür braucht es Geschwindigkeit, Mut und Führung, die Wandel nicht als Risiko, sondern als Gestaltungschance begreift.

In Zeiten globaler Zölle, geopolitischer Risse und wachsender Klimarisiken wird klar: Grünes Wachstum ist kein sicherer Hafen – aber vielleicht der einzige mit Aussicht auf Zukunft.