Die Digitalisierung und der digitale Wandel schaffen mehr Arbeitsplätze, als sie zerstören, stellt dabei jedoch Arbeitskräfte und Betriebe vor große Herausforderungen. Damit die deutsche Wirtschaft auch zukünftig wettbewerbsfähig bleibt, ist die Politik gefordert. Zu diesem zentralen Ergebnis kommt ein Projekt zum Thema „Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit“ mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt, das vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde.
Auf Basis einer Betriebsbefragung zum Einsatz neuer digitaler Technologien in deutschen Betrieben sowie einer modellbasierten Abschätzung der relevanten makroökonomischen Wirkungsmechanismen wurde für das Projekt untersucht, wie sich Gesamtbeschäftigung, Arbeitslosigkeit und Löhne im Zuge der Digitalisierung in Deutschland verändern. Anhand der Ergebnisse zeigt das ZEW-Projektteam um Dr. Melanie Arntz, Dr. Terry Gregory und Dr. Ulrich Zierahn auf, dass die Verbreitung digitaler Technologien in der deutschen Betriebspraxis insgesamt für etwas mehr Beschäftigung sorgt, aber vor allem die Beschäftigungsstruktur stark verändert.
Den Resultaten zufolge nutzt rund die Hälfte der deutschen Betriebe bereits Industrie 4.0-Technologien. Klassische industrielle Produktion wird dort also bereits mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verzahnt. Der Anteil dieser Technologien an allen Arbeitsmitteln der Betriebe beträgt zwar lediglich fünf Prozent der Produktions- sowie acht Prozent der Büro- und Kommunikationsmittel. Der Trend der vergangenen Jahre weist jedoch klar darauf hin, dass digitale Technologien in der betrieblichen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Diese jüngsten Technologieinvestitionen haben die Beschäftigung zwischen den Jahren 2011 und 2016 um etwa ein Prozent erhöht, was einem Anstieg von rund 0,2 Prozent pro Jahr entspricht. „Die Technologien wirken zwar arbeitssparend, sie schaffen aber bisher mehr neue Stellen, als sie ersetzen. Der Gesamtbeschäftigungseffekt ist daher leicht positiv“, erläutert Dr. Melanie Arntz, kommissarische Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte, Personalmanagement und Soziale Sicherung“, die Ergebnisse des Projektteams. Vor allem Berufe mit Routinetätigkeiten verlieren durch digitale Prozesse an Bedeutung, während analytische Berufe wie etwa Softwareentwicklung und Programmierung und interaktive Berufe wie zum Beispiel Human- und Zahnmedizin deutliche Zuwächse verzeichnen können.
Im Vergleich zum Gesamtbeschäftigungszuwachs von 8,5 Prozent zwischen 2011 und 2014 fällt der Teil des Zuwachses, der auf neue Technologien zurückzuführen ist, zwar klein aus. Simulationen des Projekts für den Zeitraum zwischen 2016 und 2021 zeigen allerdings, dass die geplanten betrieblichen Technologieinvestitionen die Gesamtbeschäftigung um 1,8 Prozent erhöhen werden. Das entspricht einem jährlichen Beschäftigungszuwachs von etwas weniger als 0,4 Prozent pro Jahr.
Aufgrund der insgesamt positiven Beschäftigungseffekte sollten neue Technologien nach Ansicht der Wissenschaftler/innen gezielt gefördert werden. Es zeichnet sich jedoch eine wachsende technologische Kluft in der deutschen Betriebslandschaft ab. „Betriebe, die in der Vergangenheit bereits stark in moderne digitale Technologien investiert haben, gehören auch weiterhin zu den Vorreitern, während Nachzügler zusehends ins Hintertreffen geraten. Dieser Spaltung gilt es gezielt zu begegnen“, erklärt Melanie Arntz.
Steigende Ungleichheit
Daneben zeigt sich, dass Investitionen in digitale Technologien eine steigende Ungleichheit mitverursachen. „In erster Linie profitieren Hochlohn-Berufe und -Sektoren in Form höherer Beschäftigungs- und Lohnzugewinne von neuen Technologien, während durchschnittlich und niedrig entlohnte Berufe und Sektoren zurückfallen“, so Melanie Arntz. Diese Entwicklung wird dem Projektbericht zufolge auch die nächsten fünf Jahre anhalten.
Um dem zu begegnen, besteht die eigentliche Herausforderung von Digitalisierung und Industrie 4.0 den Wissenschaftlern/-innen zufolge darin, die Arbeitskräfte gezielt auf den Arbeitsmarkt der Zukunft vorzubereiten und damit die Möglichkeiten jedes einzelnen zu verbessern, durch einen Wechsel in wachsende Branchen und Berufsfelder vom digitalen Wandel zu profitieren. Dies könnte auch den Fachkräfteengpässen entgegenwirken, die sich beispielsweise in Berufen mit einer Ausrichtung auf interaktive und analytische Tätigkeiten abzeichnen. Daher sollte die Mobilität der Arbeitskräfte zwischen Berufen und Sektoren gefördert werden. „Mobilität reduziert Fachkräfteengpässe in wachsenden Segmenten und dämpft die sich verschlechternden Arbeitsmarktaussichten für Arbeitskräfte in schrumpfenden Berufen und Sektoren“, verdeutlicht Melanie Arntz.