Klimawandel, Artensterben, Plastikmüll – die Liste der ökologischen Bedrohungen ist lang und wird immer länger. Doch die Bereitschaft der Deutschen, diese Herausforderungen aktiv anzugehen, bröckelt. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zeigt, dass der Klimaschutz in der öffentlichen Wahrnehmung zwar nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, aber zunehmend an Dringlichkeit verliert. Stattdessen bestimmen andere Sorgen – wie wirtschaftliche Unsicherheiten, soziale Ungleichheit und globale Krisen – das gesellschaftliche Bewusstsein.

Weniger Optimismus, mehr Resignation

Der langfristige Trend ist eindeutig: Der Glaube daran, den Klimawandel noch effektiv bekämpfen zu können, schwindet. Nur noch 57 Prozent der Befragten halten das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, für sehr wichtig – ein Rückgang um fünf Prozentpunkte gegenüber 2022 und ein noch deutlicheres Minus im Vergleich zu 2020, als dieser Wert bei 65 Prozent lag. Auch die generelle Zustimmung zum Umwelt- und Klimaschutz nimmt ab: 54 Prozent der Deutschen bewerten diesen als „sehr wichtig“, drei Prozentpunkte weniger als vor drei Jahren. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren es noch über 70 Prozent.

Diese Entwicklung ist kein isoliertes Phänomen. Der Globale Risiko-Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) von 2024 zeigt ein ähnliches Bild: Weltweit sinkt die Bereitschaft, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise umzusetzen. In Deutschland spiegelt sich dieser Trend nun auch in der Alltagsperspektive der Menschen wider.

„Man fühlt sich irgendwie machtlos“, sagt Katharina M., 44, Mutter zweier Kinder aus München. „Wir reden seit Jahren darüber, weniger Plastik zu verbrauchen, weniger zu fliegen, das Auto öfter stehen zu lassen. Aber wenn man dann die Nachrichten sieht – Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen – hat man das Gefühl, dass es längst zu spät ist.“

Zunehmende Klimaangst – aber wenig Hoffnung auf Lösungen

Besonders auffällig ist die steigende Skepsis, was die Bewältigung der Klimafolgen betrifft. Nur noch knapp ein Drittel der Befragten glaubt, dass Deutschland die Auswirkungen des Klimawandels erfolgreich meistern kann – der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2002. Diese zunehmende Resignation wird durch konkrete Ängste gestützt: Zwei Drittel der Befragten fühlen sich bereits heute durch Hitzewellen gesundheitlich belastet. Ein Viertel beklagt fehlenden Hitzeschutz in der eigenen Wohnumgebung, und 85 Prozent sehen die Notwendigkeit, diesen Schutz dringend zu verbessern.

Solche Sorgen sind nicht unbegründet: Laut dem jüngsten Klimabericht des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hat sich Deutschland seit Beginn der Aufzeichnungen um 1,6 Grad Celsius erwärmt – schneller als der globale Durchschnitt. Die Sommer werden heißer, die Extremwetterlagen häufiger. „Hitzewellen, Dürreperioden und Starkregenereignisse werden in Deutschland zur neuen Normalität“, warnte DWD-Präsident Gerhard Adrian kürzlich in einem Interview.

Für manche sind diese Veränderungen längst Realität. In Berlin erzählt Anja R., 67, die seit über 40 Jahren in derselben Altbauwohnung lebt, dass sich ihr Alltag spürbar verändert hat: „Früher war es im Sommer schön, die Fenster den ganzen Tag offen zu lassen. Heute muss ich die Rollos runterlassen, damit es nicht so heiß wird. Mein Kreislauf macht das einfach nicht mehr mit.“

Schutz der Natur bleibt wichtig – zumindest theoretisch

Trotz der pessimistischen Grundstimmung zeigt die UBA-Studie, dass viele konkrete Umweltschutzthemen in der öffentlichen Wahrnehmung stabil bleiben oder sogar an Bedeutung gewinnen. Der Kampf gegen Plastikmüll und Artensterben, die sichere Entsorgung von Atommüll sowie der Schutz von Wäldern, Mooren und anderen Ökosystemen werden von den meisten Befragten als dringlich betrachtet. Hier gibt es also nach wie vor eine breite Zustimmung – zumindest in der Theorie.

UBA-Präsident Dirk Messner mahnt: „Die Wissenschaft ist sich einig: Wir können den sich weiter beschleunigenden Klimawandel mit weitreichenden Folgen für Mensch, Umwelt und Wirtschaft nur verhindern, wenn wir jetzt den Schutz des Klimas rasch und konsequent umsetzen. Andernfalls bürden wir den folgenden Generationen enorme Kosten und Risiken auf.“

Kluft zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und öffentlicher Wahrnehmung

Ein weiteres Problem: Viele der komplexen Zusammenhänge zwischen Biodiversitätsverlust, Klimawandel und ihren Folgen für Landwirtschaft und Ernährung sind in der breiten Bevölkerung noch kaum verankert. Wissenschaftler warnen vor einem „blinden Fleck“, der zu falschen Prioritäten und fehlenden politischen Weichenstellungen führen könnte. Laut einer Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina unterschätzen viele Menschen die dramatischen Folgen des Artensterbens – und damit auch die Risiken für ihre eigene Lebensgrundlage.

„Es sind nicht nur die Bienen, die verschwinden“, sagt der Biologe Andreas W., 52, der in einer kleinen Gemeinde in Niedersachsen lebt. „Wenn wir die Insekten verlieren, verlieren wir die Basis unserer gesamten Nahrungsmittelproduktion. Das ist kein romantisches Problem, sondern eines, das uns direkt an die Existenz geht.“

Umwelt vor der Haustür – ein positiver Lichtblick

Immerhin: In der direkten Lebensumgebung sind die meisten Deutschen mit dem Zustand der Natur noch relativ zufrieden. Mehr als 80 Prozent loben die Sauberkeit, die Trinkwasserqualität und den Zugang zu Grünflächen in ihrer Region. Gleichzeitig fordern viele jedoch Verbesserungen in anderen Bereichen: 87 Prozent der Befragten wünschen sich etwa besseren Zugang zu klimafreundlichem und bezahlbarem Wohnraum.

Die Studie offenbart eine paradoxe Haltung: Während die Deutschen den Schutz der Natur grundsätzlich befürworten, sind sie zunehmend skeptisch, ob die notwendigen Maßnahmen tatsächlich ergriffen werden können – oder ob sie angesichts drängender sozialer und wirtschaftlicher Herausforderungen nicht ohnehin ins Hintertreffen geraten. Das Thema bleibt auf der Agenda, doch die Prioritäten verschieben sich.

Ein Weckruf – oder der Beginn einer gefährlichen Selbsttäuschung?

Die große Frage bleibt, ob es der deutschen Gesellschaft gelingt, sich aus dieser emotionalen Lähmung zu befreien – oder ob die drängenden Umweltprobleme in einem Meer aus Krisen und Ängsten schlicht untergehen werden.