Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen, müssen ab der Mitte des Jahrhunderts jährlich sieben bis neun Milliarden Tonnen CO₂ nachhaltig aus der Atmosphäre entfernt werden. Dies geht aus dem aktuellen „State of Carbon Dioxide Removal“ (CDR) Bericht hervor, der von einem internationalen Team von über 50 Experten erstellt wurde. Federführend waren dabei die Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford sowie das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).

„Die Reduktion von Emissionen hat oberste Priorität für Netto-Null, aber CO₂-Entnahmen spielen eine wichtige Rolle“, erklärt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung. „Beim Ausbau der Entnahmetechnologien darf die Menschheit jedoch andere Ziele nicht gefährden – wie Ernährungssicherheit, Biodiversität, sichere Wasserversorgung oder Lebensräume für indigene Völker. Daher haben wir in unserer Analyse Nachhaltigkeitskriterien einbezogen und daraus unsere finale Abschätzung der Paris-kompatiblen CO₂-Entnahmemenge getroffen.“

Derzeit werden nur zwei Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr entnommen, hauptsächlich durch konventionelle Methoden wie Aufforstung. Neuartige Methoden – wie Pflanzenkohle, beschleunigte Gesteinsverwitterung, CO₂-Direktabscheidung und -Speicherung (DACCS) sowie Bioenergie mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) – tragen mit jährlich 1,3 Millionen Tonnen weniger als 0,1 Prozent zur Gesamtmenge bei. Von den tatsächlich dauerhaften Methoden entfallen nur 0,6 Millionen Tonnen jährlich, was unter 0,05 Prozent der Gesamtmenge entspricht.

Das Thema CO₂-Entnahmen gewinnt in Forschung, öffentlichem Bewusstsein und bei Start-ups zunehmend an Bedeutung, doch es gibt Anzeichen für eine Verlangsamung der Entwicklung. „Ein breit gefächertes CDR-Portfolio ist eine robustere Strategie als die Konzentration auf eine oder zwei Methoden“, betont Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). „Die Diversifizierung zeigt sich in Forschung, Innovation und Investitionen in Start-ups – aber der Einsatz und die Regierungsvorschläge konzentrieren sich eher auf konventionelle CDR, hauptsächlich über die Forstwirtschaft.“

Steve Smith von der Smith School of Enterprise and the Environment der Universität Oxford unterstreicht: „Da die Welt bei der Dekarbonisierung nicht auf Kurs ist, müssen die Investitionen in CO₂-Entnahmen sowie in emissionsfreie Lösungen insgesamt erhöht werden.“ Der Bericht stellt fest, dass nur 1,1 Prozent der gesamten Investitionen in Klimatechnologie-Start-ups auf CO₂-Entnahmen entfallen. Zwar haben Unternehmen in diesem Bereich ehrgeizige Ziele, die die Entnahmemengen auf ein Pariser Abkommen-konformes Niveau bringen könnten, doch die Ambitionen sind wenig belastbar: Eine viel stärkere Politik als derzeit erforderlich wäre die Voraussetzung. „Es liegt entscheidend an den Regierungen, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Skalierung der CO₂-Entnahmen zu schaffen“, so Smith.

Der Bericht appelliert an die Regierungen, mit geeigneten Maßnahmen die Nachfrage nach CO₂-Entnahmen zu erhöhen. Dazu gehören die Integration entsprechender Maßnahmen in die national festgelegten Beiträge (NDCs) im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und die Entwicklung besserer Überwachungs-, Berichts- und Prüfsysteme. Derzeit stammt ein Großteil der Nachfrage nach CO₂-Entnahmen aus freiwilligen Verpflichtungen von Unternehmen zum Kauf sogenannter Carbon Removal Credits. Matthew J. Gidden, Senior Scholar am International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), warnt: „Die Verzögerung bei der umfassenden Emissionsreduktion erhöht den künftigen Handlungsdruck. Und je länger die Welt zögert, desto begrenzter ist die Rolle, die eine nachhaltig definierte CO₂-Entnahme spielen kann.“