China investiert strategisch in grüne Technologien, Europa ringt um verbindliche Regeln – und die USA unter Donald Trump kehren zurück zur fossilen Energie. Der globale Wettlauf um Klimasouveränität hat begonnen, doch Europa droht in der Defensive zu verharren.
Es ist ein geopolitisches Kräftemessen im Schatten der Klimakrise. Auf der einen Seite China, das mit staatlich orchestrierten Investitionen in Solarmodule, Batteriezellen und Elektromobilität seine technologische Vormachtstellung ausbaut. Auf der anderen Seite die Vereinigten Staaten, die unter Präsident Donald Trump auf eine fossile Renaissance setzen und die internationalen Klimaziele offen torpedieren. Und in der Mitte: Europa, das sich in zähen Abstimmungen über Grenzwerte, Zielvorgaben und Umweltstrategien verheddert – aktuell etwa bei der neuen EU-Wasserstrategie.
Was sich hier abzeichnet, ist mehr als nur ein Streit über Technologien. Es geht um nichts Geringeres als die globale Ordnung der Zukunft – um den „grünen Wettbewerb der Systeme“. Und Europa droht, zum Zuschauer zu werden.
Chinas grüne Offensive – strategisch und systematisch
Peking hat früh verstanden, dass die ökologische Transformation nicht nur eine Umweltfrage, sondern vor allem ein industrielles Machtinstrument ist. Der Artikel „Augen auf Peking“ im IPG-Journal liefert dazu eindrucksvolle Zahlen: Rund 80 Prozent der weltweit verbauten Solarmodule und drei Viertel der Lithium-Ionen-Batterien stammen heute aus chinesischer Produktion. In Bereichen wie Windenergie, grüner Wasserstoff und E-Mobilität verfolgt China eine konsequente Vertikalisierung der Wertschöpfungsketten – von der Rohstoffgewinnung in Afrika über Veredelung bis zur Endmontage.
Das ist kein Zufall, sondern Resultat strategischer Planung: Mit Programmen wie „Made in China 2025“ und dem „14. Fünfjahresplan“ steuert Peking bewusst Schlüsselindustrien der Zukunft. Subventionen, Technologieoffensiven und globale Marktanteile sind dabei keine Nebeneffekte, sondern politische Absicht.
Trumps fossilistische Wende – Rückkehr zur alten Welt
Während China die Energiewende als geopolitisches Hebelwerkzeug nutzt, setzt Donald Trump – zurück im Amt seit Januar 2025 – auf eine brachiale Abkehr vom Klimaschutz. Der zweite Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen ist bereits vollzogen. Die Environmental Protection Agency (EPA) wurde personell entkernt, Emissionsgrenzwerte für Kraftwerke und Fahrzeuge drastisch gelockert. Offshore-Windprojekte wie „Coastal Virginia“ wurden gestoppt, Steueranreize für Solar und Wind zurückgefahren. Stattdessen setzt die Administration auf neue Öl- und Gaslizenzen, Pipeline-Ausbau und Kohlesubventionen.
Trumps Kalkül ist klar: Energie soll billig sein, wirtschaftlicher Aufschwung fossil, Umweltregulierung ein „Job-Killer“. Doch was kurzfristig populär erscheinen mag, birgt langfristig geopolitische Risiken. Denn die USA verlieren technologisch den Anschluss – und isolieren sich klimapolitisch zunehmend von Europa, China und dem globalen Süden.
Europa: Zwischen Anspruch und Anpassung
Europa wirkt in diesem globalen Kräftemessen zerrissen. Zwar hat die EU mit dem Green Deal und dem CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM erste Werkzeuge geschaffen, um die Transformation der Industrie anzutreiben. Doch viele dieser Maßnahmen bleiben im politischen Alltag stecken – nicht zuletzt, weil Mitgliedstaaten, Lobbygruppen und industriepolitische Ängste immer wieder auf die Bremse treten.
Ein aktuelles Beispiel: die geplante EU-Wasserstrategie. Der geleakte Entwurf zeigt viel Freiwilligkeit, aber wenig Verbindlichkeit. Zwar sollen neue Prinzipien wie Wassereffizienz und Wiederverwendung etabliert, PFAS-verseuchte Standorte saniert und Klimarisiken adressiert werden. Doch verbindliche Reduktionsziele fehlen, vor allem in der Landwirtschaft. Auch bei der Frage, ob PFAS überhaupt verboten werden sollen, bleibt der Entwurf vage.
Derweil verfehlt die EU bereits jetzt viele ihrer Umweltziele – und die Realität auf dem Kontinent zeigt: Dürre, Wassermangel und Verschmutzung nehmen zu. Ohne harte politische Vorgaben wird Europa seine ökologische Resilienz nicht erreichen – und im globalen Vergleich weiter zurückfallen.
Der Wettbewerb der Systeme – und was auf dem Spiel steht
Was sich hier entfaltet, ist ein struktureller Systemkonflikt. Auf der einen Seite autoritär geführte Staaten wie China, die die grüne Transformation zentral planen und kontrollieren. Auf der anderen Seite liberale Demokratien, die mit sozialen Aushandlungsprozessen, Wettbewerbsvorgaben und Marktinstrumenten arbeiten – aber oft zu langsam sind. Und dazwischen ein politisch destabilisiertes Amerika, das je nach Wahlzyklus zwischen grüner Innovationsmacht und fossiler Reaktion schwankt.
Europa steht unter Druck – ökonomisch, ökologisch und strategisch. Wer heute die Technologien der Energiewende beherrscht, kontrolliert morgen Märkte, Standards und politische Einflussräume. Wer bei Speichertechnologien, Wasserwiederverwendung oder grüner Stahlproduktion zurückbleibt, macht sich abhängig – von Autokratien oder populistischen Regimen.
Es braucht mehr als Klimaschutz – es braucht Industriepolitik mit Rückgrat
Die EU muss ihre Politik strategischer denken – und sie muss mutiger werden. Klimaschutz ist keine moralische Kür mehr, sondern ein Imperativ zur Wahrung von Autonomie, Wohlstand und Sicherheit. Die derzeitigen Strategien – sei es zur Wasserresilienz, zum Industrieumbau oder zur Energieversorgung – reichen nicht aus, um im „grünen Wettbewerb der Systeme“ zu bestehen.
Wenn Europa weiterhin auf Freiwilligkeit setzt, während andere auf Durchsetzung und Skalierung setzen, könnte die Energiewende zur geopolitischen Sackgasse werden. Die Zeit der Appelle ist vorbei. Jetzt zählen Regeln, Ressourcen – und Richtung.
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