Berlin ächzt – und das nicht nur unter dem Druck des Großstadtlebens, sondern auch unter den Folgen der Klimakrise. In diesem Frühjahr zeigt sich einmal mehr, wie sehr die Straßenbäume der Hauptstadt unter der anhaltenden Trockenheit leiden. Die Bodenfeuchte in der Stadt hat laut Pflanzenschutzamt den kritischen Bereich erreicht – dabei hat der Sommer noch nicht einmal richtig begonnen.

Alte Riesen in Gefahr

Straßenbäume haben es ohnehin schwer. Ihr Lebensraum ist knapp, die Hitze staut sich zwischen den Fassaden, und der Asphalt über ihren Wurzeln lässt kaum Wasser in die Tiefe sickern. Jetzt kommt die Dürre hinzu. „Ältere Bäume haben zwar tiefer reichende Wurzeln, aber auch sie können irgendwann nicht mehr an die lebenswichtige Feuchtigkeit herankommen, wenn der Grundwasserspiegel weiter sinkt“, erklärt Dirk Schäuble, Naturschutzreferent beim BUND Berlin.

Schäuble fordert deshalb ein radikales Umdenken im Umgang mit der Stadtnatur: „Grüne Freiflächen müssen geschützt und zusätzliche durch Entsiegelung geschaffen werden. Gesunde Bäume wie zuletzt am Marx-Engels-Forum oder in der Gneisenaustraße dürfen nicht einfach gefällt werden. Und am Tempelhofer Damm müssen solche Fehler künftig vermieden werden.“

Dürren als neue Normalität

Es ist kein kurzfristiges Phänomen. Die Berliner Böden trocknen seit Jahren immer schneller aus. Bereits seit Mitte Februar geht die Bodenfeuchtekurve steil nach unten, abgesehen von wenigen, meist kurzen Regenepisoden. Mitte April gab es den letzten nennenswerten Niederschlag – vor fast einem Monat. Und selbst die für diese Woche angekündigten Regenfälle werden den Durst der Stadtbäume kaum stillen können.

Dabei sind Straßenbäume nicht nur für sich genommen wichtig – sie bieten auch Lebensraum für Vögel, Insekten und Kleinsäuger wie Eichhörnchen. „Die Trockenheit trifft sie doppelt“, warnt Schäuble. Denn wenn Bäume weniger Wasser aufnehmen können, stellen sie auch ihre Photosynthese ein. Das bedeutet: Weniger Sauerstoff, weniger Verdunstung, weniger Abkühlung für die ohnehin aufgeheizte Stadt.

Schleichendes Sterben

Wer durch Berlins Straßen geht, kann die stillen Notrufe der Bäume schon jetzt sehen. Viele haben bereits in den Sparmodus umgeschaltet, rollen ihre Blätter ein oder werfen erste Zweige ab. Das ist keine Laune der Natur, sondern ein verzweifelter Versuch, Wasser zu sparen. Doch dieser Überlebensmodus hat seinen Preis: Mit jedem abgefallenen Blatt verliert der Baum Energie, die ihm später für den Neuaustrieb fehlen wird. Und wenn der Boden über Jahre hinweg trocken bleibt, vertrocknen die Knospen oft, bevor sie überhaupt austreiben können.

„Am Ende droht den Bäumen die Axt“, so Schäuble. Denn geschwächte Bäume sind anfälliger für Schädlinge und Krankheiten – ein Risiko, das viele Kommunen aus Gründen der Verkehrssicherung nicht eingehen wollen oder können.

Ein bundesweites Problem

Berlin ist kein Einzelfall. Auch in anderen deutschen Städten wie Frankfurt, Leipzig oder Hamburg sind die Böden deutlich trockener als noch vor einem Jahrzehnt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) verzeichnete in den letzten fünf Jahren landesweit überdurchschnittlich viele Hitzetage und Niederschlagsdefizite. Die Folge: In Frankfurt sind mittlerweile 15 Prozent der Stadtbäume stark geschädigt, in Leipzig müssen wegen Trockenstress jährlich tausende junge Bäume ersetzt werden, und in Hamburg haben die Stadtförster zunehmend Schwierigkeiten, neu gepflanzte Bäume durch die ersten Jahre zu bringen. Der Deutsche Städtetag warnt vor einem „schleichenden Waldsterben in den Städten“, das die ohnehin schon belasteten Kommunen vor erhebliche Herausforderungen stellt.

Eine Stadt ohne Schatten?

Lange Dürrephasen wie die jetzige sind längst keine Ausnahme mehr, sondern Teil einer neuen Realität. Schon 2019 waren die Bodenfeuchtewerte ähnlich kritisch wie in diesem Jahr – ein Trend, der sich durch die Klimakrise weiter verschärfen dürfte.

Die Frage, ob Berlin bald zu einer Stadt ohne Schatten wird, ist längst nicht mehr rhetorisch. „Ohne massive Gegenmaßnahmen – Entsiegelung, systematische Baumpflege und klimagerechte Stadtplanung – verlieren wir nicht nur Bäume, sondern auch einen Teil dessen, was diese Stadt lebenswert macht“, warnt Schäuble.

Es ist ein stiller, aber beständiger Tod – und Berlin scheint ihm kaum etwas entgegensetzen zu können.