Seit Jahresbeginn hat sich der Preis für CO2-Zertifikate für den Lieferzeitpunkt Dezember 2018 nahezu verdreifacht (+180 Prozent) und notiert derzeit bei knapp 22 €/t. Auch die Frontjahresnotierungen nahmen die Hürde von 20 €/t.
Der EU ETS scheint, infolge einer grundlegenden Reform Mitte des Jahres, als effizientes Klimaschutzinstrument wiederbelebt. Dies weckt Marktfantasien und befeuert Diskussionen um die Auswirkungen auf den Strommarkt und CO2-Minderungseffekte in Deutschland.
Vor diesem Hintergrund hat die britische Denkfabrik Carbon Tracker im August eine Studie veröffentlicht, die über den Zeitraum 2019 bis 2023 einen CO2-Preis zwischen 35 und 40 €/t für möglich hält.
Die Energieökonomen der enervis energy advisors GmbH haben die Effekte einer solchen Preisentwicklung mit energiewirtschaftlichen Modellen untersucht.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein Zertifikatepreis jenseits 35 €/t CO2 bereits kurzfristig zu einer grundlegenden Verschiebung der Stromerzeugungsstrukturen und zu spürbar geringeren CO2-Emissionen im Kraftwerkspark führen kann.“so Mirko Schlossarczyk von enervis.
Bereits ab 35 €/t CO2 kommt es, bei gleichzeitig unterstellten aktuellen Gas- und Kohlenotierungen, zu einem Fuel Switch zwischen GuD und Steinkohlekraftwerken. GuD mit einem Wirkungsgrad größer 55% würden in der Merit-Order Steinkohlekraftwerke mit Wirkungsgraden kleiner 39 Prozent (bei 35 €/t CO2) bzw. kleiner 42% (bei 40 €/t CO2) verdrängen. Gegenüber einem Referenzszenario mit angenommenen aktuellen CO2-Futures reduziert sich infolgedessen die jährliche Stromerzeugung aus Stein- und Braunkohlekraftwerken zusammen um mehr als 30%. Die jährlichen CO2-Emissionen des Kraftwerksparks liegen in einem solchen Szenario in etwa 10 Prozent unter denen des Referenzpfades.
Die enervis-Analyse illustriert, dass die Höhe des CO2-Preises selbstverständlich ein starker Hebel auf Strommarktstrukturen, Strompreis und CO2-Emissionen sein kann. Allerdings erscheint eine kurz- und mittelfristige CO2-Preisentwicklung auf 40 €/t aus heutiger Sicht fundamental kaum nachvollziehbar.
„Aktuelle Prognosen und Markteinschätzungen gehen davon aus, dass – trotz der angestoßenen ETS-Reformen – bis Ende der 2020er Jahre ein Zertifikateüberschuss existiert. In Verbindung mit dem weiteren EE-Ausbau und einem möglichen politisch indizierten Kohleausstiegspfad in Deutschland, deutet derzeit aus fundamentaler Sicht nichts auf massiv steigende CO2-Preise in Regionen um 40 €/t bis 2030 hin.“so Mirko Schlossarczyk von enervis.