In vielen Ländern Afrikas südlich der Sahara prägt ein bemerkenswerter Wandel die Gesellschaft: Frauen mit höherem Bildungsniveau entscheiden sich zunehmend für kleinere Familien – und beeinflussen dabei auch ihre weniger gebildeten Mitmenschen. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für Bevölkerungsdynamiken, nachhaltige Entwicklung und sogar den Umgang mit Klimawandel. Eine neue Studie liefert nun erstmals ein präzises Modell, das zeigt, wie stark Bildung und Fertilitätsraten miteinander verknüpft sind.

Wie Bildung die Familienplanung prägt

Forscher des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA), des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR), der Universität Wien und des Wittgenstein-Zentrums für Demografie und globales Humankapital haben in einer bahnbrechenden Studie untersucht, wie Bildung das Fertilitätsverhalten von Frauen in Subsahara-Afrika beeinflusst. Ihre Ergebnisse, veröffentlicht in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), belegen einen starken Zusammenhang: Je höher das Bildungsniveau von Frauen, desto niedriger die Geburtenrate.

„Wir haben ein Prognosemodell entwickelt, das Bildung und Fertilität verknüpft. Dieses Modell liefert wertvolle Erkenntnisse für die Bevölkerungsplanung und soziale Entwicklungsstrategien“, erklärt Saroja Adhikari, Hauptautorin der Studie und Postdoktorandin am MPIDR.

Bildung beeinflusst nicht nur direkt, sondern auch indirekt

Eine besondere Innovation der Forschung liegt in der Erkenntnis, dass nicht nur die individuelle Bildung einer Frau entscheidend ist. Auch das durchschnittliche Bildungsniveau ihrer Gemeinschaft beeinflusst ihre Vorstellungen von Familiengröße und ihr tatsächliches Fertilitätsverhalten. So zeigt die Studie, dass Frauen in stärker gebildeten Umfeldern auch mit niedrigem Bildungsgrad tendenziell kleinere Familien haben. Dieser Effekt ist in zahlreichen geografischen und zeitlichen Kontexten konsistent.

„Gebildete Frauen treiben die Veränderung in Gemeinschaften mit hohen Geburtenraten voran, indem sie als Vorbilder wirken. Ihr Einfluss geht oft über ihre direkte Umgebung hinaus“, ergänzt Endale Kebede, Mitautor der Studie und Postdoktorand an der Universität Wien.

Datenbasis und Bedeutung für die Politik

Das Modell basiert auf Daten von 138 demografischen und Gesundheitsstudien aus 39 Ländern in Subsahara-Afrika, die zwischen 1986 und 2022 durchgeführt wurden. Im Gegensatz zu vielen früheren Ansätzen stützt es sich nicht auf subjektive Annahmen, sondern berücksichtigt sowohl individuelle Bildungsabschlüsse als auch die allgemeine Bildungslandschaft der Region.

Die Ergebnisse haben nicht nur Bedeutung für die demografische Planung, sondern auch für die Klimaforschung. Bildung beeinflusst die Fähigkeit von Gesellschaften, sich an den Klimawandel anzupassen. Höhere Bildungsniveaus könnten helfen, den Bevölkerungsdruck zu verringern und gleichzeitig die Resilienz gegenüber klimatischen Herausforderungen zu stärken.

Impulse für nachhaltige Entwicklung

Das Team betont, dass Bildungspolitik eine zentrale Rolle bei der Reduzierung von Fertilitätsraten und der Förderung einer ausgewogenen Bevölkerungsentwicklung spielen kann. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Frauen mit weniger Bildung oft die Verhaltensmuster ihrer gebildeteren Mitbürgerinnen übernehmen. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Familienplanungsprogramme“, erläutert Wolfgang Lutz, Mitautor der Studie und Forscher am IIASA.

Das neu entwickelte Prognosemodell könnte damit entscheidend dazu beitragen, nachhaltige Entwicklungsstrategien zu gestalten, die Bildung und Familienplanung gezielt fördern. Es unterstreicht, dass Investitionen in Bildung nicht nur die Lebensrealität vieler Frauen verbessern, sondern auch entscheidend für die Zukunft Afrikas und die globale Klimapolitik sind.