Stellen Sie sich vor, Sie stehen in einem kleinen Kakao-Verarbeitungsbetrieb in Ghana und sprechen mit Kwame, einem jungen Unternehmer, der voller Stolz berichtet: „Dank des deutsch-ghanaischen Entwicklungsfonds konnte ich meine Produktion erweitern und modernisieren.“ Kwame erklärt Ihnen, wie er durch moderne Technologien nicht nur den Ertrag steigern, sondern auch Arbeitsplätze für seine Gemeinde schaffen konnte.

Währenddessen erzählt Ihnen eine deutsche Wissenschaftlerin, die Sie auf Ihrer Reise begleiten, begeistert von ihrem Projekt zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien, das sie gemeinsam mit einem lokalen Forschungsteam in Accra leitet.

Solche Begegnungen illustrieren die Art von Partnerschaften, die die Bundesregierung in ihren afrikapolitischen Leitlinien 2025 propagiert und die bereits an Projekten wie der Grüne-Wasserstoff-Kooperation mit Ghana sichtbar wird. Gleichzeitig reist eine deutsche Wissenschaftlerin im Rahmen eines Klima-Austauschprogramms nach Accra, um an einer Forschungsinitiative zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien mitzuwirken. Solche Beispiele sind das Bild einer neuen Partnerschaft, die die Bundesregierung in ihren afrikapolitischen Leitlinien 2025 propagiert und die bereits an Projekten wie der Grüne-Wasserstoff-Kooperation mit Ghana sichtbar wird.

Die im Januar 2025 veröffentlichten afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung markieren eine strategische Neuausrichtung der Beziehungen zwischen Deutschland und dem afrikanischen Kontinent. Sie betonen Partnerschaftlichkeit, Respekt und gemeinsame Verantwortung als Grundpfeiler der Zusammenarbeit. Angesichts der geopolitischen Spannungen und globalen Herausforderungen positioniert sich Deutschland als multilateraler Akteur, der wirtschaftliche, sicherheitspolitische und soziale Interessen miteinander verknüpft.

Neue Akzente in einem vertrauten Rahmen

Ein wesentliches Merkmal der Leitlinien ist der Fokus auf eine „regelbasierte Weltordnung“, die Afrikas Rolle in globalen Entscheidungsprozessen stärken soll. Besonders hervorgehoben wird die Forderung nach zwei ständigen afrikanischen Sitzen im UN-Sicherheitsrat – ein klares Signal für die Unterstützung einer repräsentativen globalen Ordnung. Die Einbettung in bestehende multilaterale Strukturen wie die EU-Strategien und den G20-Rahmen unterstreicht Deutschlands Bemühungen, Afrika nicht als Rohstoffquelle, sondern als wirtschaftlichen und politischen Partner zu betrachten.

Trotz dieser rhetorischen Akzentverschiebungen bleibt die Frage offen, ob es der Bundesregierung gelingen wird, Afrika eine tatsächlich stärkere Stimme zu verleihen oder ob die multilateralen Strukturen weiterhin von den Interessen der großen Industrienationen dominiert bleiben. Kritiker weisen darauf hin, dass Deutschland auch in der Vergangenheit große Ziele formuliert hat, deren Umsetzung jedoch durch nationale Interessen und geopolitische Realitäten ausgebremst wurde.

Schwerpunkte: Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Souveränität

Ein zentraler Schwerpunkt der Leitlinien liegt auf der Förderung lokaler Wertschöpfung und nachhaltiger Industrialisierung. Vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien und der Wasserstoffproduktion sollen Kooperationen ausgebaut werden, um den afrikanischen Staaten wirtschaftliche Eigenständigkeit zu ermöglichen. Gleichzeitig ist die Sicherung von Lieferketten für kritische Rohstoffe ein Kernanliegen der deutschen Energiepolitik.

Das Ziel, eine Win-Win-Situation zu schaffen, steht dabei im Mittelpunkt. Doch die Umsetzung ist komplex: Werden afrikanische Volkswirtschaften tatsächlich so gestärkt, dass sie langfristig eigenständige Akteure in globalen Märkten werden können? Hier besteht die Gefahr, dass deutsche Investitionen primär eigene Interessen bedienen und zu neuen Abhängigkeiten führen, insbesondere wenn Reformdruck einseitig ausgeübt wird.

Koloniales Erbe und gesellschaftlicher Dialog

Die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit spielt eine prominente Rolle in den Leitlinien. Dies zeigt sich in der geplanten Förderung unabhängiger Forschung, der Rückgabe von Kulturgütern und der Unterstützung von Versöhnungsprojekten, wie sie am Beispiel der Beziehungen zu Namibia sichtbar werden. Diese Initiativen stellen wichtige Schritte in Richtung einer offenen Vergangenheitsbewältigung dar.

Allerdings bleibt unklar, wie weitreichend diese Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden und ob sie den Erwartungen der afrikanischen Partner gerecht werden. Forderungen nach finanziellen Reparationszahlungen stoßen in Deutschland immer wieder auf gesellschaftlichen und politischen Widerstand, was den Dialog erschweren könnte.

Geopolitischer Wettbewerb und strategische Abgrenzung

Ein Thema, das in den Leitlinien nur indirekt Erwähnung findet, ist der Einfluss konkurrierender Mächte wie China, Russland und der Golfstaaten. China etwa verfolgt mit seiner „Belt and Road“-Initiative klare wirtschafts- und machtpolitische Interessen und ist in vielen afrikanischen Ländern der wichtigste Handelspartner. Der chinesische Ansatz, groß angelegte Infrastrukturprojekte ohne strenge politische Bedingungen zu finanzieren, verschafft Peking einen strategischen Vorteil.

Deutschland hingegen setzt auf Good Governance, Menschenrechte und soziale Standards. Dieser wertebasierte Ansatz wird international als ethisch hochwertig angesehen, könnte jedoch als unflexibel erscheinen, wenn er nicht durch pragmatische Elemente ergänzt wird. Ohne eine klare Strategie, wie auf diesen Wettbewerb reagiert werden soll, könnte die deutsche Afrikapolitik Gefahr laufen, im geopolitischen Kräftefeld ins Hintertreffen zu geraten.

Sicherheits- und Friedenspolitik: Ein Balanceakt

Die sicherheitspolitischen Zielsetzungen umfassen sowohl die Unterstützung afrikanischer Friedensmissionen als auch die Stärkung nationaler Sicherheitsstrukturen. Besonders betont wird die Verzahnung zwischen Klimapolitik und Sicherheitsfragen, da klimabedingte Ressourcenknappheit Konflikte weiter anheizen kann.

Allerdings ist die Stärkung militärischer Kapazitäten ein sensibler Bereich. Die Zusammenarbeit mit Staaten, in denen es Defizite bei der Menschenrechtslage und der Rechtsstaatlichkeit gibt, birgt Risiken. Kritiker befürchten, dass militärische Kooperationen eher bestehende Probleme verschärfen könnten, wenn sie nicht an strenge demokratische Kontrollmechanismen gekoppelt sind.

Wahlkampftaktik oder strategische Langfristplanung?

Die zeitliche Platzierung der Leitlinien kurz vor der Bundestagswahl wirft Fragen auf. Während die Regierung damit Stabilität und Weitsicht demonstrieren will, könnte der Zeitpunkt auch als Wahlkampfstrategie interpretiert werden. Eine Regierung unter der CDU würde möglicherweise andere Schwerpunkte setzen und wirtschaftliche Interessen sowie Migrationskontrolle stärker betonen. Themen wie die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte könnten an Bedeutung verlieren, während der Fokus auf Rohstoffpartnerschaften wachsen dürfte.

Bildung und Jugendförderung als Schlüssel zu Resilienz

Ein weiterer bedeutender Aspekt der Leitlinien ist die Investition in Bildung und Jugendaustauschprogramme. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, langfristige Beziehungen zu stärken und demokratische Resilienz zu fördern. Durch Stipendienprogramme, akademische Kooperationen und die Förderung afrikanischer Wissenschaftsstandorte soll ein Wissenstransfer gefördert werden, der nachhaltige Entwicklungsimpulse setzt.

Allerdings erfordert die Umsetzung solcher Programme erhebliche Ressourcen und politische Kontinuität. Hier bleibt abzuwarten, ob diese Initiativen trotz möglicher Regierungswechsel konsequent fortgeführt werden.

Die afrikapolitischen Leitlinien 2025 der Bundesregierung sind zweifellos ambitioniert und zeichnen sich durch einen umfassenden Ansatz aus, der Themen wie Klimaschutz, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Sicherheitsfragen integriert. Der Erfolg dieser Strategie wird jedoch davon abhängen, ob Deutschland bereit ist, seine Ziele mit ausreichenden Ressourcen und einer klaren, abgestimmten Strategie zu untermauern.

Die Herausforderung besteht darin, eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe zu schaffen, die nicht nur als rhetorisches Ideal, sondern als praktische Umsetzung wahrgenommen wird. Nur durch glaubwürdiges Handeln und die Einbindung der afrikanischen Zivilgesellschaft können alte Muster durchbrochen und neue, tragfähige Beziehungen aufgebaut werden. Angesichts des geopolitischen Wettbewerbs bleibt zu beobachten, ob Deutschland in der Lage ist, seine Interessen mit den Erwartungen und Bedürfnissen seiner afrikanischen Partner in Einklang zu bringen – oder ob alte Strukturen lediglich mit neuer Rhetorik versehen werden.