Wohin mit all den Solaranlagen, die für die Energiewende nötig sind? Neben Dächern können sich auch landwirtschaftliche Flächen wie Äcker und Wiesen eignen, um Sonnenstrom zu erzeugen.

Salat, Spargel, Himbeeren und andere empfindliche Kulturen gedeihen gut im Halbschatten von Solarmodulen. Das Konzept der Agri-Photovoltaik kann für Landwirt*innen vor allem an trockenen Standorten rentabel sein. Doch für Netzanschluss und Genehmigungsverfahren fehlen praxistaugliche Lösungen, wie Forschende vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Hochschule Kehl (HSK) im Projekt Landgewinn mit Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeigen. Sie empfehlen mehr Kooperationen mit Netzbetreibern und rechtliche Verbesserungen.

„Die Agri-Photovoltaik bietet nützliche Synergien zwischen Land- und Energiewirtschaft. Einerseits erschließt sie neue Flächen für die Energiewende. Andererseits hilft sie Landwirt*innen, sich an den Klimawandel anzupassen, weil die Solarmodule Schutz vor Wetterextremen wie Hitze und Starkregen bieten“, sagt Hannes Blum, Energieökonom am IÖW. Das Projekt Landgewinn, das von der Hochschule Offenburg geleitet wird, bewertet verschiedene Zukunftstechnologien für die Landwirtschaft aus ökonomischer, ökologischer, sozialwissenschaftlicher, rechtlicher und gesamtsystemischer Perspektive. Erste Ergebnisse des IÖW und der HSK zeigen nun, wie Agri-Photovoltaik für Landwirt*innen attraktiver werden könnte.

Landwirtschaft sieht Potenzial für Agri-Photovoltaik auf trockenen, kargen Böden

Wie sich Agri-Photovoltaik in der Praxis durchsetzen kann, diskutierten die Forschenden mit Landwirtschaftsbetrieben, spezialisierten Planungsbüros und einem Energieversorger. Die Landwirte befürchten durch die Solaranlagen Einschränkungen in der Bewirtschaftung, vor allem auf fruchtbaren Böden. Interessant ist die Doppelnutzung daher vor allem auf weniger ertragreichen Flächen. Dort könnten Solaranlagen durch Verschattung sogar den Ertrag erhöhen: So sind sie vielversprechend, um trockene Standorte und hitzeempfindliche Pflanzen an den Klimawandel anzupassen. Auch schützen sie Sonderkulturen im Obstbau etwa vor Hagel und Starkregen.

Damit geeignete Flächen genutzt werden, müssen Kommunen und Flächeneigentümer*innen diese Option in Bebauungsplänen und Pachtverträgen ermöglichen. Bisher bevorzugen sie eher Freiflächen-Photovoltaik ohne landwirtschaftliche Nutzung, etwa aufgrund höherer Pachtpreise oder weil sie nicht wissen, dass eine Doppelnutzung möglich ist.

Bessere Kooperation mit Netzbetreibern nötig

Den Strom, den Landwirt*innen auf dem Feld produzieren, können sie entweder selbst nutzen, oder – theoretisch – an einen Großabnehmer vor Ort verkaufen. Doch im Moment mangelt es oftmals an der nötigen Infrastruktur und an Kooperationen:

„Es braucht mehr Erfahrungswissen, vor allem sollten sich Landwirtschaft, Energieversorger und Netzbetreiber bei der Auswahl der Flächen intensiver austauschen. Auch die Kommunen als Flächeneigentümerinnen und Genehmigungsbehörden sollten dabei eine starke Rolle einnehmen“, empfiehlt Johannes Rupp vom IÖW, Experte für nachhaltige Landnutzung.

Gesetzgeber und Kommunen sollten nachsteuern

Viele Landwirt*innen schrecken bisher auch wegen komplizierter Genehmigungsverfahren zurück. Mit einer rechtlichen Einordnung zur Agri-Photovoltaik bietet die HSK Orientierung. „Auf Ackerflächen direkt neben Autobahnen oder zweispurigen Bahngleisen hat ein Antrag für eine Agri-Photovoltaik-Nutzung gute Chancen“, erklärt Antonia Kallina, Juristin an der HSK. „Für alle anderen Flächen müssen Kommunen zunächst einen Bebauungsplan erstellen und mitunter sogar den Flächennutzungsplan ändern. Das ist eine erhebliche rechtliche Hürde.“

Die Forschenden empfehlen daher, Agri-Photovoltaik eine Privilegierung im Bauplanungsrecht einzuräumen. „Mit der richtigen Formulierung ist ein guter Kompromiss möglich, um einerseits die Interessen der Umwelt zu schützen und andererseits das Innovationspotenzial der noch jungen Technologie zu ermöglichen“, erläutert Antonia Kallina.

Vor- und Nachteile abwägen

Setzt sich Agri-Photovoltaik auf geeigneten Flächen durch, könnte das die Potenziale für den Ausbau der Erneuerbaren erhöhen und damit die Energiewende deutlich voranbringen. Kritiker*innen äußern jedoch Bedenken zum Einfluss der Anlagen auf das Landschaftsbild oder zum höheren Materialverbrauch durch die benötigten Unterkonstruktionen. Das Projekt Landgewinn arbeitet daher weiter an einer ganzheitlichen Bewertung: Hierfür prüft das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) sowohl das betriebswirtschaftliche als auch das ökologische Potenzial der Agri-Photovoltaik. Mit einem Energiesystemmodell analysiert zudem die Hochschule Offenburg, wie viel diese und weitere Technologien tatsächlich dazu beitragen können, die Energie- und Klimaziele in Deutschland bis 2045 zu erreichen.