Dass der afrikanische Kontinent bislang besser durch die Corona-Krise kam als erwartet, hat auch Fachleute überrascht. Die Ansteckungszahlen blieben deutlich unter den Prognosen. Und auch der wirtschaftliche Einbruch bislang hielt sich in Grenzen.
Etwas mehr als zwei Prozent betrug der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vergangenen Jahr. Der Rückgang des BIP in Europa lag dagegen bei sieben Prozent.

Eine Untersuchung des Afrika-Zentrums der Hochschule Flensburg hat sich jetzt mit den Zukunftsaussichten unseres Nachbarkontinents befasst. Die Autoren kommen zu überraschenden Ergebnissen.
So rechnet das Zentrum mit einer sehr schnellen Erholung.

„Wesentliche Treiber des BIP-Rückgangs waren eingebrochene Rohstoffpreise und der ausgebliebene Tourismus. Während die Rohstoffpreise schon wieder deutlich gestiegen sind, kann man wohl davon ausgehen, dass nach dem Ende der Pandemie auch der Tourismusumsatz schnell zurückkehren wird“, so Kay Pfaffenberger, Professor an der Hochschule und Direktor des Zentrums. „Wir gehen daher davon aus, dass spätestens im kommenden Jahr das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein wird.“

Für die Zeit nach der Erholung erwartet die Studie ein weit steileres Wachstum als vor der Krise. „Die Jahr 2018 und 2019 waren Rekordjahre deutscher Investitionen in Afrika. Zusätzlich zu diesem generellen Trend hin zu Afrika sehen wir zwei weitere wichtige Entwicklungen, die für den Kontinent positiv sein könnten“, erläutert Professorin Nelly Oelze, Co-Autorin des Papiers. Viele Unternehmen hätten während der Krise erkannt, dass die einseitige Konzentration auf Lieferketten in Asien riskant sei. Derzeit ziehe die deutsche Wirtschaft Konsequenzen aus diesen Erfahrungen und plane eine Diversifizierung. Gerade für arbeitsintensive einfachere Produktionsprozesse biete Afrika mit seiner räumlichen Nähe zu Europa und seinen geringen Lohnkosten eine Alternative.

„Wir sehen bereits, dass Automobilzulieferer ihre Präsenz in Nordafrika stark ausbauen. Und auch in Ostafrika sind weitere Investitionen zu erwarten, nicht zuletzt in der Leder- und Textilwirtschaft“, so Oelze. Wichtig sei allerdings, diese neuen Wirtschaftsbeziehungen von Anfang an richtig zu gestalten. Wegen des hohen Kostendrucks in diesen Branchen sei es besonders wichtig, von Anfang an auf die Einhaltung internationaler Standards zu setzen. Das werde tendenziell eher bei Familienunternehmen aus Deutschland der Fall sein als bei asiatischen Konzernen. „Das derzeit in Berlin diskutierte Lieferkettengesetz halte ich allerdings für den falschen Weg. Es birgt hohe Risiken, dass gerade Mittelständler aus Sorge vor unübersichtlicher Bürokratie von Investitionen Abstand nehmen. Den Platz, der dann frei wird, werden dann beispielsweise chinesische Investoren einnehmen. Ich glaube nicht, dass das zu besseren Arbeitsbedingungen für die Menschen führt“, meint Dr. Stefan Liebing, Honorarprofessor am Afrika-Zentrum und Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Das Afrika-Zentrum der Hochschule lege einen seiner Forschungsschwerpunkte auf die Frage von Nachhaltigkeit in Lieferketten und in der Textilwirtschaft in Afrika.

Ein zweiter Faktor, der nach Ansicht der Autoren in den kommenden Jahren wesentlich zu Wachstum und Entwicklung in Afrika beitragen wird, ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Die Bundesregierung habe erkannt, dass eine vollständige Umstellung der deutschen Gesellschaft auf erneuerbare Energie nur möglich sei, wenn grüne Energie importiert werden könne. Dafür biete sich an, Solarstrom aus Afrika in Wasserstoff umzuwandeln und diesen nach Europa zu transportieren. Afrika biete sich wegen hoher Sonneneinstrahlung und geographischer Nähe zu Europa für solche Großprojekte an.

„Ich bin mir sicher, dass in Afrika ein ganz neuer Wirtschaftszweig entstehen wird. Künftig werden wir nicht mehr an die Ölländer des Nahen Ostens überweisen, sondern unsere Energie auch in Afrika einkaufen“, ist sich Liebing sicher. Derzeit werde eine Vielzahl von Projekten deutscher Unternehmen verfolgt, die Bundesregierung habe bereits mehrere Kooperationsabkommen mit afrikanischen Ländern unterzeichnet. Das werde zu einer deutlichen Steigerung der Handelsbeziehungen und der Investitionen führen und somit auch zu einer weiteren Steigerung des Wirtschaftswachstums. „Gerade auf diesem Gebiet bestehen vielfältige Möglichkeiten für norddeutsche Unternehmen, sich in Afrika zu engagieren. Insofern wird Afrika auch für die regionale Wirtschaft an Bedeutung gewinnen“.

Das Afrika-Zentrum der Hochschule wird am 27. Mai in einer Online-Konferenz die Potentiale der Wasserstoffwirtschaft für Kooperationen zwischen Norddeutschland und Afrika diskutieren und erwartet dazu Gäste aus Europa- und Bundespolitik, Wirtschaft und Wissenschaft und aus Afrika. Weitere Informationen zur Konferenz und zur Studie sind erhältlich unter www.africacentre.de.

Zum Afrika-Zentrum:

Das „Centre for Business and Technology in Africa” der Hochschule Flensburg wurde 2013 von den Professoren Thomas Schmidt und Kay Pfaffenberger gegründet. Seither hat es zahlreiche wissenschaftliche Projekte zwischen Deutschland und Afrika erfolgreich durchgeführt und sich so zu einer der führenden Hochschulinstitutionen zum Thema Wirtschaft in Afrika entwickelt. Derzeit arbeiten unter Leitung von Professor Kay Pfaffenberger sechs Professorinnen und Professoren sowie ein Honorarprofessor am Zentrum. Es bestehen zahlreiche intensive Kooperationen mit Hochschulen in Afrika, beispielsweise mit Namibia, Südafrika und Kenia.