EU-finanzierte Forscher untersuchen den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und Gesundheit und bieten möglicherweise neue Optionen für die Behandlung und Früherkennung von Krebs.
Von Jessica Berthereau
(Berlin, 5.2.2025) Meditation und Achtsamkeit sind für Maria Goreti Sales, Professorin am Fachbereich Chemieingenieurwesen der Universität Coimbra in Portugal, mehr als nur ein Zeitvertreib. Sie ist überzeugt, dass sie der Schlüssel zum Verständnis sind, wie und warum der Körper krank wird.
Sales koordiniert die BioMark Sensor Research Group der Universität Coimbra, die fortschrittliche Sensortechnologien für Anwendungen in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Lebensmittelsicherheit entwickelt.
Meditation ist weithin anerkannt für ihre körperlichen und geistigen Vorteile, vom Stressabbau bis zur Verbesserung der Herz-Kreislauf-Gesundheit. Die biochemischen Mechanismen, die dieser Verbindung zwischen Körper und Geist zugrunde liegen, sind jedoch noch nicht eindeutig identifiziert worden. Für Sales eine faszinierende Herausforderung.
Zelluläre Kommunikation
Von 2015 bis 2018 organisierte Sales Meditationssitzungen für sein Team und war von den Ergebnissen beeindruckt. „Alle waren konzentrierter bei der Arbeit und darauf fokussiert, Ergebnisse zu erzielen, anstatt sich von kleinen Problemen ablenken zu lassen„, sagt sie.
Etwa zur gleichen Zeit begann sie, sich intensiv mit der wissenschaftlichen Literatur über so genannte extrazelluläre Vesikel (EVs) zu beschäftigen – winzige Botenpartikel, die Informationen zwischen den Zellen im Körper transportieren. Sie war fasziniert von deren Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, eine Membran, die unser Gehirn schützt.
„Könnten extrazelluläre Vesikel das fehlende Bindeglied sein?“, fragte sie sich.
Diese Frage brachte sie dazu, ein multinationales Expertenteam zusammenzustellen, um im Rahmen des fünfjährigen Forschungsprojekts MindGAP, das von 2019 bis 2024 läuft, weitere Untersuchungen durchzuführen. Das Projekt wurde von der EU finanziert und brachte Forscher der Universität Coimbra, der Linné-Universität in Schweden, der Universität Oulu in Finnland, des Portugiesischen Instituts für Onkologie und des Technischen Forschungszentrums von Finnland (VTT) zusammen.
Ihr Ziel war es, die biochemischen Verbindungen zwischen Gehirn und Körper, insbesondere die Rolle der EVs, zu untersuchen und neue Instrumente für die Gesundheitsüberwachung zu entwickeln.
Das MindGAP-Team hatte sich zwei Hauptziele gesetzt. Erstens wollten sie durch die Analyse von EVs von Krebsüberlebenden, die meditiert hatten, alle Einflussfaktoren identifizieren, die speziell mit Meditation in Verbindung stehen.
Zweitens wollten sie ein Instrument entwickeln, mit dem diese EVs schnell auf potenzielle Gesundheitsbiomarker – messbare Indikatoren, die den Beginn eines Krankheitsprozesses im Körper vorhersagen können – untersucht werden können.
Auswirkungen von Meditation
In einer groß angelegten Studie untersuchten die Forscher das Blutplasma von Krebsüberlebenden und verglichen diejenigen, die regelmäßig meditierten, mit denen, die dies nicht taten.
Dabei konnten sie sieben microRNAs im Plasma identifizieren, die mit der Meditationspraxis in Verbindung gebracht werden können. MicroRNAs sind winzige Stücke genetischen Materials, die die Genexpression in Zellen beeinflussen.
Diese Erkenntnisse sind wichtig, da sie einen Weg aufzeigen, wie Meditation die Zellkommunikation in einer Weise beeinflussen kann, die die allgemeine Gesundheit fördert.
Neuere Studien unterstützen dieses Konzept und zeigen, dass Achtsamkeitspraktiken Entzündungen reduzieren und die Zellreparatur anregen können, was beides für die langfristige Erhaltung der Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist.
Leider wurde die klinische Studie durch die COVID-19-Pandemie unterbrochen, so dass die Meditationssitzungen online durchgeführt werden mussten. Daher sind weitere Studien erforderlich, um die klinische Relevanz der identifizierten Biomarker zu bestimmen.
Bahnbrechendes Gerät
Dem Forschungsteam gelang jedoch ein bemerkenswerter Durchbruch bei der Entwicklung eines Geräts, das in der Lage ist, EV-Nachweise im Blut nachzuweisen. Mit Hilfe von Kunststoffantikörpern entwickelten die Forscher Einwegkartuschen von der Größe einer Kreditkarte, mit denen sich EVs aus Blutproben isolieren und analysieren lassen.
Kunststoffantikörper sind synthetische Materialien auf Polymerbasis, die die Funktion und die Eigenschaften natürlicher Antikörper nachahmen sollen. Diese künstlichen Antikörper werden mit Hilfe eines molekularen Prägeverfahrens hergestellt, bei dem Polymere mit spezifischen Hohlräumen gebildet werden, die der Größe, Form und den chemischen Eigenschaften des Zielmoleküls (Antigen) entsprechen.
„Diese Technologie ermöglicht es uns, mehrere Schritte in einem einzigen Gerät durchzuführen und microRNAs auf kostengünstige und praktische Weise zu quantifizieren“, sagt Professor Caglar Elbuken, Leiter des Elbuken Lab: Microfluidics and Biosensor Research Group an der Universität Oulu.
Das Gerät von MindGAP könnte weitreichende Anwendungen finden, da microRNAs in der Medizin immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2024 würdigt die Entdeckung der microRNA und ihrer genregulatorischen Funktion, die eine entscheidende Rolle beim Verständnis von Krankheitsmechanismen spielt.
„Die schnelle und kostengünstige Quantifizierung von microRNA ist eine wichtige Technologie, die bei der Diagnose von Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen helfen kann“, so Elbuken.
Prävention hat Vorrang
Sales sieht noch größere Auswirkungen. Sie träumt von einer Zukunft, in der solche Technologien Krankheiten lange vor dem Auftreten von Symptomen vorhersagen und so ein proaktives Gesundheitsmanagement ermöglichen.
„Wenn es uns gelingt, Biomarker zu identifizieren, die gesundheitliche Probleme vorhersagen, können die Menschen frühzeitig erkennen, wann ihr Körper Aufmerksamkeit und Pflege benötigt“, sagt sie.
Dieser Ansatz könnte unsere Einstellung zu Gesundheit und Krankheit grundlegend verändern, indem er den Schwerpunkt von reaktiver Behandlung auf Prävention verlagert und letztlich die Belastung der Gesundheitssysteme verringert.
Nachdem wir nun wissen, dass Meditationspraktiken krankheitsverursachende Botenstoffe im Körper reduzieren können, ist der nächste Schritt zu verstehen, ob wir eines Tages unseren Geist nutzen können, um Krebs zu lindern, sein Fortschreiten zu verhindern oder die Genesung zu verbessern.
Weitere Informationen:
Die in diesem Artikel vorgestellten Forschungsarbeiten wurden durch das Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Autoren geben nicht unbedingt die Meinung der Europäischen Kommission wieder.
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